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Tagesausflug nach Argentinien

In Südamerika liegen die Grenzübergänge weit auseinander, oft in abgelegenen Gebieten. Ein Grenzübertritt ist nicht so alltäglich wie in Mitteleuropa. Nur nicht in Asunción, der Hauptstadt Paraguays. Von hier aus kann man einen Tagesausflug nach Argentinien machen und dabei drei verschiedene Grenzübergänge besichtigen.

In Südamerika liegen die Grenzübergänge weit auseinander, oft in abgelegenen Gebieten. Ein Grenzübertritt ist nicht so alltäglich wie in Mitteleuropa. Nur nicht in Asunción, der Hauptstadt Paraguays. Von hier aus kann man einen Tagesausflug nach Argentinien machen und dabei drei verschiedene Grenzübergänge besichtigen.

Grenze Nr. 1 brauchte Geduld, viel Geduld. Ich musste warten, bis Sonne und Wind gemeinsam den Nebel aufgelöst hatten, der am Morgen über dem breiten Río Paraguay hing. Denn ich überquerte die Grenze mit einer Fähre, vom kleinen Hafen Itá Enramada südlich von Asunción aus.

Die Fähre Uirapuru I besteht aus einem kleinen Treiberboot und einem grösseren Ponton.

Den Ausreisestempel hatte innert weniger Sekunden in meinem Pass, als ich das Kabäuschen am Hafeneingang gefunden hatte, wo der gelangweilte Grenzkontrolleur hauste. Von Fluss und Fähre war aber vorerst nicht viel zu sehen: dichter Nebel hing über dem heruntergekommenen Hafengelände. Ich fand die Fähre und erfuhr, dass sie «Angst habe», nach Argentinien überzusetzen, solange die Sicht nicht besser sei. Also wartete ich. Der Fluss war schön anzusehen und ich hatte viel Zeit, den Anblick zu geniessen. Langsam stiegen die Nebelschwaden auf, gelegentlich löste sich die Silhouette eines Frachtschiffs oder eines kleinen Boots aus dem Dunst. Mystisch, würden pathetischer veranlagte Schreiberlinge die Stimmung nennen.

Manche Fusspassagiere verloren die Geduld und setzten sich in eines der Holzschalen-Boote (lanchas), die ebenfalls nach Argentinien übersetzten.Nachdem sich die Wartezeit zwei Stunden hingezogen hatte, war ich drauf und dran, es ihnen gleichzutun. Abgehalten davon hatte mich die Tatsache, dass die stabile Fähre bzw. ihr Kapitän die Situation für zu riskant einschätzte – ein kleines Boot war in dieser Situation kaum sicherer. Später fand ich einen weiteren Nachteil heraus: Die Boote legen in Argentinien nicht am offiziellen Grenzübergang Puerto Pilcomayo an, sondern einfach irgendwo am Flussufer.

Lancha: auch mit diesen Booten kann man den Río Paraguay überqueren.

Gerade als ich mir solche Gedanken machte, begannen die Lastwagen endlich, auf die Fähre zu rollen. Ganze vier Lastwagen hatten auf dem Ponton Platz, dazu eine Handvoll Autos. Kilometerlang war die Schlange der Lastwagen bis zum Hafen gewesen: die Wartezeit schien Tage zu dauern. Vollkommen unverständlich erschien mir dies angesichts der Tatsache, dass es ja auch eine Brücke gab. «Es gibt hier keine Logik», war der Kommentar meines Taxifahrers.

Ankunft am eher improvisiert wirkenden Hafen in Argentinien

Erleichtert begrüssten die Argentinier kurz vor Mittag die erste Fährankunft des Tages. Die Grenzkontrolle im staubigen Hafen dauerte fünf Minuten und war begleitet von der ernüchternden Erkenntnis, dass die Argentinier tatsächlich die Passstempel abgeschafft hatten. Ein Grenzwächter war so freundlich, mir ein Taxi nach Clorinda zu organisieren (60.000 Guaraní), langsam tuckerte ich in die Grenzstadt.

Der argentinische Grenzübergang Puerto Pilcomayo

Anders als die paraguayische Hauptstadt Asunción, die eine doch einigermassen moderne Metropole ist (diesen Blog-Eintrag schreibe ich in einem dortigen Hipstercafe), fühlt sich Clorinda an wie das schäbige Ende Argentiniens, das es auch ist. Die meisten Strassen sind nicht gepflastert, Autos selten, Motorräder dominieren die Pisten. Die Leute leben in ärmlichen Hütten, dazwischen Bolzplätze. Die Hauptstrasse hat Wildwest-Flair, besonders da mittlerweile die Siesta eingetreten war und praktisch alle Geschäfte geschlossen waren.

Zentrale Strassenkreuzung in Clorinda

Für den Grenzfreund bietet Clorinda aber eine Spezialität, mit der wenige Grenzstädte aufwarten können: den Grenzübergang 2. Oder besser gesagt, die Grenzübergänge 2 bis 22. Denn dem Rand der Stadt entlang schlängelt sich der seichte Fluss Pilcomayo, der die Grenze zu Paraguay bildet. Alle hundert Meter führen abenteuerlich anmutende Holzstege über den Fluss. Sie werden rege genutzt, und zwar hauptsächlich von offensichtlichen Schmugglern. Von Pickup-Trucks laden sie Kisten mit Früchten oder Säcke mit Gemüse auf ihre Schultern, überqueren die wackligen Stege und laden sie in Paraguay drüben auf Lastwagen. Am hellichten Tag, begleitet von lauter Musik.

Selbstgebastelte Grenzbrücke. Die Schmuggler habe ich mich nicht getraut zu fotografieren.

Grenzübergang 3 (bzw. 23) erinnert stark an Florenz, konkret an die Ponte Vecchio – einfach in abgefuckt. Wie dort ist die Puente de la Amistad zwischen Clorinda und Nanawa in erster Linie ein Marktplatz mit lauter Geschäften und Marktständen. Auch wenn die Brücke ein offizieller Grenzübergang ist, passiert die Mehrheit der Anwesenden die Grenze ohne Kontrolle; man muss sich schon aktiv darum bemühen. Die Grenzkontrolle befindet sich in einem kleinen Betonwürfel auf der argentinischen Seite der Brücke. Sogar bei meinem ausländischen Pass waren die Kontrolleure überrascht, dass ich ihn überhaupt vorzeigte.

Puente de la Amistad Clorinda (Argentinien) – Nanawa (Paraguay)

Auf der paraguayischen Seite geht die Brücke unmittelbar in das dichte Gedränge der Marktstände über. Paraguay ist deutlich billiger als Argentinien, also konzentriert sich der Grenzhandel hier. Verkauft wird hauptsächlich Ramsch chinesischer Herkunft, das Angebot ist keineswegs spannend. Darum suchte ich recht bald später den Stadtbus 101 auf, der ins Zentrum von Asunción zurückfuhr.

Grenzmarkt in Nanawa

Eine Stunde sollte die Fahrt dauern, so hiess es. Passagiere machten mich darauf aufmerksam, dass zwei Stunden eine wesentlich realistischere Schätzung wären. Natürlich hatten sie recht: allein die anderthalb Kilometer aus Nanawa hinaus nahmen 45 Minuten in Anspruch, da man noch Tanken musste, weitere Passagiere aufnehmen und den obligaten längeren Stopp vor einem Privathaus einlegte, in dem sich erst nach längerem Hupen etwas bewegte. Bis wir den Ortsausgang passierten, hatte mein Sitznachbar schon zwei Dosen Brahma-Bier intus.

Abfahrtstelle der Buslinie 101 zurück nach Asunción

Im Bus roch es stark nach Hundefutter, da am Boden unter den Sitzen grosse Säcke Royal Canin lagerten. Das Personal hatte sie vor der Abfahrt in Müllsäcke verpackt, offensichtlich war es Schmuggelgut. Vor der Brücke zurück nach Asunción gab es dann tatsächlich eine Zollkontrolle, bei der aber nichts zum Vorschein kam: inzwischen war der Bus gefüllt und die Säcke waren im Gewimmel nicht mehr zu erkennen. Allerdings waren sie immer noch gut zu riechen.

Nach der dritten Dose Brahma kam mein Sitznachbar mit mir ins Gespräch. Als er hörte, dass ich hier in den Ferien war, fragte er mich, ob ich also am Abend mir gutes Essen und eine Nutte (in Paraguay offenbar Mina genannt) aufs Zimmer kommen liesse. Bis zu den Vororten von Asunción lernte er einen weiteren Mitreisenden kennen, bei dem sich herausstellte, dass er solche Minas vermitteln könne und dass er mir direkt nach der Ankunft eine vorstellen würde. Glücklicherweise stieg ich letztlich nicht an derselben Haltestelle aus wie die beiden Herren.

Highlight der langen Fahrt war die Aussicht auf den Río Paraguay und Asuncion von der Puente Remanso aus.

2 Kommentare

  1. Lieber Daniel Dir möchte ich wieder mal danken für Deine spannenden Reiseberichte. Deine interessante und humorvolle Art zu schreiben gefällt mir ausgezeichnet. So kann ich in Gedanken mitreisen und mitstaunen, ohne die aufwändigen Strapazen der Reisen selbst. Liebe Grüsse Heidi
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    1. Danke dir für die Rückmeldung, liebe Heidi! Das ist schön und motivierend zu hören. Diese Grenze war gar nicht so strapaziös – im Gegensatz zur nächsten, die ich heute beschrieben habe…

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