Ausreise aus: Shuroobod, Oblast Chatlon, Tadschikistan
Einreise nach: Kalai Khumb, Rayon Darwoz, Autonome Oblast Berg-Badachschan, Tadschikistan
Benötigte Dokumente: Reisepass, ausgedrucktes tadschikisches E-Visum, GBAO Permit
Wartezeit: 5 min (Tadschikistan/Chatlon), 5 min (Berg-Badachschan)
Entfernung ab Bern: 12‘323 km
Bewertung: 4/10
Beschreibung:
Berg-Badachschan (GBAO) ist ein bisschen ein eigenes Land. Ja genau, einmal mehr, wie fast überall wo ich hinfahre. Aber hier man benötigt wirklich ein separates Visum, wenn man in die autonome Region einreisen will: Den GBAO Permit. Früher war dieser ein bürokratischer Alptraum. Mittlerweile hat die tadschikische Regierung aber erkannt, dass die Touristen viel Geld in die kaum entwickelte Gegend bringen. Und so genügen heute ein Mausklick und eine Zusatzgebühr von 20 US-Dollar, und man bekommt auf dem elektronischen Visum für Tadschikistan einen dicken „GBAO“-Stempel.
Die Grenzkontrollen blieben aber bestehen.
Bereits in der an Badachschan angrenzenden Provinz Chatlon muss man die Reisedokumente vorzeigen. Hier nimmt sich der Rayon (Bezirk) Schuroobod heraus, eine eigene Bezirks-Grenzkontrolle durchzuführen. Die Provinz Chatlon nimmt sich überhaupt einiges heraus: Die chatlonischen Polizisten sind Wegelagerer der übelsten Sorte. Noch nie hatte ich auf all meinen Reisen ein solches Ausmass an Amtsmissbrauch und Korruption erlebt, und es macht mich noch heute wütend. Unser Sammeltaxi konnte keine zehn Kilometer fahren, ohne von einer mobilen oder fest stationierten Polizeibande angehalten und ausgenommen zu werden. Nicht nur unser Taxi. Mit bedeutungsvollem Blick und einem roten Signalstab winken die Polizisten alle Fahrzeuge mit badachschanischen Kennzeichen heraus. Jedes Mal waren Bestechungssummen zwischen 2 und 20 Somoni (0.20 bis 2.00 EUR) fällig. Und dazu ein bisschen Wartezeit, wenn es den Herren Beamten gefiel. Fahrzeuge mit Kennzeichen aus Chatlon und Duschanbe fuhren hingegen mehrheitlich gratis.
„In Berg-Badachschan wird es dann besser – da sind die Polizisten seriös“, seufzte unser Fahrer entschuldigend nach der fünfzehnten Kontrolle. Und das wurde es auch – zumindest für uns. Ob die dortigen Polizisten sich bei den chatlonischen Fahrern für die Behandlung ihrer Landsleute revanchierten, entzieht sich meiner Kenntnis.
Badachschan wartete dafür mit eigenen Grenz-Spezialitäten auf. Bei der Einreise fuhren wir durch ein grosses Tor, auf dem nicht etwa „Berg-Badachschan“ stand, sondern „Darwoz“ – der erste Rayon der Region. Kurz darauf die Kontrolle, und ich musste die ersten Kopien meines Passes und des GBAO-Permits abgeben, die ich extra in Duschanbe erstellt hatte. Bei jeder Rayongrenze danach dasselbe Spiel: Grosses Tor mit dem Namen des Rayons, Checkpoint, Kopien abgeben. Bis in die Hauptstadt Chorog war ich alle fünf Kopien los.
Einer der vielen Checkpoints innerhalb von Berg-Badachschan, hier Chargusch an der Grenze der Rayons Wachan (wo man Wachisch spricht) und Murghob (wo man Kirgisisch spricht). Afghanistan ist hier gleich um die Ecke.
Die Rayons von Berg-Badachschan sind wie kleine Fürstentümer. Sie bestehen jeweils aus einer Talschaft und haben eine eigene Sprache oder zumindest Dialekt. All diese Sprachen werden unter dem Label „Pamirisch“ zusammengefasst. Gegenseitig verständlich sind sie aber nicht. Die zwei westlichsten Rayons und einige Dörfer entlang der afghanischen Grenze sind im Laufe der letzten Jahrhunderte zum Tadschikischen übergegangen, mit starkem Akzent natürlich. Richtig pamirisch ist aber das Schoghnanische aus der Umgebung von Chorog. Die Sprecher erkennt man mühelos an ihrem melodiösen Akzent, selbst wenn sie Tadschikisch oder Russisch sprechen. Schoghnanisch hört sich zudem ziemlich ö-lastig an. Anlässlich einer Reifenpanne lernte ich ein einziges Wort: Pneu bedeutet „Balön“. Für mich als Rheintaler leicht einzuprägen.
Ich war mit einem Iraner unterwegs, und dieser stellte dann doch erfreut fest, dass die meisten Pamiri auch Tadschikisch sprachen und damit auch Persisch einigermassen verstanden. Ich musste ihm nur jeweils die russischen Wörter übersetzen, die sich während der Sowjetzeit ins Tadschikische eingeschlichen hatten. Die Kartoffel etwa ist ganz Deutsch „Kartoschka“ und nicht „Sib-Zamini“ – die wörtliche Übersetzung von „Erd-Apfel“ –, wie im Persischen. Im östlichen, höher gelegenen Teil des Pamirs war damit aber Schluss: Plötzlich gab es ganze Dörfer, in denen die Einwohner nur noch Kirgisisch sprachen und ein bisschen Russisch, aber keineswegs Tadschikisch.
Die Haupstadt Chorog ist mit ihren 30.000 Einwohnern sehr beschaulich. Ich wanderte dort zum botanischen Garten, der sich vor allem wegen der Aussicht lohnt. Ausserdem hat Präsident Emomali Rachmon eine Villa dort.
Eigentlich fühlt sich die autonome Region sogar wie zwei verschiedene Länder an. Da sind einerseits die schroffen Bergtäler im Westen, in denen die vielen Pamir-Sprachen beheimatet sind. Die dort wohnhaften Pamiri gehören – anders als die Tadschiken – der schiitischen Sekte der Ismailiten an. Sie trinken Alkohol und haben keine Moscheen, ausserdem sind offenbar die Frauen besser gestellt als in gebräuchlicheren Formen des Islam. Die östliche Hälfte ist dann wieder sunnitisch. Hier leben nur 15.000 Menschen, mehrheitlich kirgisische Halbnomaden, auf einem Hochplateau über 3.500 Meter über Meer.
Nochmals eine andere Welt: Das karge Hochland, wo kirgisische Halbnomaden leben.
Ein richtiges eigenes Land ist Berg-Badachschan aber dann doch nicht, auch wenn es fast die Hälfte des Territoriums Tadschikistans einnimmt. Zu penetrant ist dazu der Personenkult um den tadschikischen Präsidenten Emomali Rachmon, der auch in der Bergregion betrieben werden. Gemäss Reiseführer gesellt sich im Badachschan der Aga Khan, Oberhaupt der Ismailiten, zur Emomali-Propaganda. Davon habe ich wenig gesehen: Entweder hat Emo damit aufgeräumt, oder es war das Wunschdenken der Autoren. Auch zahlen die Pamiri brav mit tadschikischem Geld, und die Grenzen werden von der tadschikischen Armee bewacht. Unterstützt von russischen und kasachischen Truppen, allerdings – ist es doch die Grenze zu Afghanistan (siehe dazu separate Fotoreportage).
Die Versorgungslage trennt Berg-Badachschan dann wieder von Tadschikistan: Ausserhalb von Chorog gibt es kaum mehr mobile Daten, und in der östlichen Hälfte fehlt sogar noch die Stromversorgung, abgesehen von privaten Solarkollektoren. Vom Strassenzustand ganz zu schweigen. Da kann man schon die Prioritäten der tadschikischen Regierung, die gerade die Rudaki-Avenue in Duschanbe mit neuen Marmorpalästen bestückt, hinterfragen…
Was man aber auch in den entlegensten Gebieten Berg-Badachschans immer erhält: Ein Glas Tee.