Die Einheimischen wandern nämlich ganz anders als die Schweizer. Sie fahren in irgendeine abgelegene Gegend, stellen das Auto am Parkplatz ab und absolvieren eine gut ausgeschilderte Wanderung im Bereich von 3 bis 5 Kilometer – meist eine Rundwanderung („Loop“) zurück zum Parkplatz. Auch wenn diese Wanderwege in den Prospekten als „strenuous“ beschrieben sind, sind die Wege doch meist einigermassen befestigt und gut begehbar, manchmal handelt es sich auch einfach um kleine Strassen oder Feldwege. Anders sieht es beim Fernwandern aus.

Fernwanderwege: Anders als in Mitteleuropa gibt es in Irland kein Wanderwegs-Netz, sondern nur einzelne Loops/Trails. Wer über längere Strecken wandern will, macht das darum am besten auf einem der (wenigen) ausgeschilderten Fernwanderwege. Wir haben uns für den Western Way entschieden, da er uns landschaftlich am vielversprechendsten schien – was wir durchaus richtig einschätzten, im Gegensatz zu vielen anderen Aspekten. Die Wegbeschaffenheit ist abwechslungsreich: Fast die Hälfte des Weges sind asphaltierte Strassen (nicht so toll für die Beine); es gibt erhöhte Wege auf Holzbrettern, Kieswege etc. Eine Strecke am Croagh Patrick führt durch ein Moorgebiet, wo man nur extrem langsam vorwärts kommt. Das macht es recht schwierig zu planen, wie weit man an einem Tag kommt. Anders gesagt: Ich unterschätzte die Stapazen eines Wanderwegs, der angesichts der geringen Höhenunterschiede (300 bis 500 m pro Tag) eher locker schien. Während man im Schweizer Mittelland oder in Frankreich gut 30 bis 40 km pro Tag zurücklegen kann, sind 25 km in Irland schon ziemlich sportlich. Aber es lohnt sich: Die Aussichten sind grandios (auch weil es kaum Bäume gibt), die Einsamkeit im Vergleich zu den Alpen eindrücklich.


Landkarten: Irlands Ordnance Survey gibt Landkarten im Massstab 1:50000 (Discovery Series) heraus, welche die ganze Insel abdecken und auf der alle markierten Wanderwege eingezeichnet sind. Von einigen Gegenden gibt es auch Karten im Massstab 1:25000. Die Karten sind ziemlich gut, wenn auch nicht ganz auf dem Niveau von Swisstopo. Entscheidend für die Planung ist nämlich wie erwähnt die Wegbeschaffenheit, und die lässt sich nicht einfach aus der Signatur ableiten. „Other roads“ können asphaltiert sein oder Kieswege, bei den „tracks“ geht die Spannweite von Kieswegen (4-5 km/h) bis hin zu kaum passierbaren Spuren im Moor (1 km/h) und privaten Feldwegen (Zutritt verboten). Eine Wanderung auf eigene Faust zu planen ist deshalb schwierig bzw. man sollte dann wohl „tracks“ besser meiden (wie ich mittlerweile weiss) – mit dem Nachteil, dass man ständig auf Wegen unterwegs ist, die auch mit Fahrzeugen passierbar wären. Auf die meisten Berge und Hügel sind in den Landkarten gar keine Wanderwege eingezeichnet. Man kann sie dennoch besteigen, muss die Infos dazu aber online recherchieren (z.B. bei Sport Ireland oder Alltrails) und mit nassen Schuhen rechnen, da die Hügel im Westen meist moorig sind.

Unterkünfte: Der Western Way führt durch eine abgelegene, dünn besiedelte Gegend. Ausserhalb der Hauptsaison ist es schwierig, für jede Etappe eine passende Unterkunft zu finden. Hotels am Weg gibt es ohnehin nur in Leenaun, Westport und Newport. Ansonsten nächtigten wir in B&Bs von sehr unterschiedlicher Qualität. Aber auch so war die Distanz zwischen den möglichen Unterkünften teils über 30 km, etwa zwischen Leenaun und Murrisk bzw. Westport. Dies verleitete mich zur Annahme, dass dies eine logische Etappenlänge sei. Diese Annahme war falsch. Richtig wäre gewesen, sich irgendwo nach der Hälfte (also beim Dorf Drummin) von einem B&B-Inhaber in der Nähe (etwa in Louisburgh) abholen zu lassen und sich dann am nächsten Tag an derselben Stelle wieder absetzen zu lassen. Klar, dann ist man nicht mehr ununterbrochen zu Fuss unterwegs, aber die Alternative sind aber mögliche Kniebeschwerden ab dem dritten oder vierten Tag.

Essen und Proviant: Genauso selten wie Unterkünfte sind Restaurants, die in dieser Gegend fast ausschliesslich in Form von Pubs auftreten (wobei das Städtchen Westport ein kleines Foodie-Paradies ist). Mehr als eine warme Mahlzeit pro Tag liegt also nicht drin, ausser man bringt einen Kocher mit. Praktischer ist es hingegen, sich unterwegs Proviant zu kaufen. Auch dies will wohl geplant sein, da man im Schnitt nur einmal täglich an einem Geschäft vorbeikommt – also unbedingt die Lage und Öffnungszeiten im Voraus recherchieren. Das Angebot in den kleinen Dorfläden ist oft nicht so prickelnd. Darum mussten wir uns manchmal mit trockenem Brot und fadem Cheddar-Käde begnügen, angereichert mit ein paar Keksen. Umso besser schmeckt dann am Abend der Pub-Food: Fast immer stehen Fish & Chips, Burger, Steak und Irish Stew auf der Karte, nicht selten aber auch lokale Interpretationen der indischen Küche (hervorragend ist das sri lankische Curry im Hotel Mulranny Park). Nur leichte Kost sucht man meist vergebens, was beim Wandern nicht so tragisch ist.

Sprache: Der Western Way und viele andere Wanderwege im Westen Irlands führen durch die Gaeltacht. So heissen die Gebiete, in denen nur das Irische Amtssprache ist. Alle offiziellen Beschriftungen in diesen Gebieten sind nur auf Irisch, das auch Sprache der Behörden und Schulen ist. Tatsächlich ist die Bevölkerung aber zweisprachig, man kann sich problemlos auf Englisch verständigen. Nur die Ortsnamen sollte man auf Irisch kennen, da eine englische Beschilderung fehlt – also beispielsweise Gob an Choire anstatt Achill Sound.
Öffentlicher Verkehr: Bahnlinien führen von Dublin aus nach Galway, Westport und Ballina entlang des Western Way. Der Rest der Strecke ist – wenn überhaupt – mit Bussen erschlossen. Leider verkehren sie eher selten, also meist zwei bis fünfmal pro Tag. Etwas mühsam ist, dass die Haltestellen oft nicht angeschrieben sind und falls doch, fehlen Fahrpläne. Das heisst: Man muss sie selbst online recherchieren. Dies ist aber nicht immer einfach, da verschiedene Unternehmen in der Gegend aktiv sind (z.B. Local Link Mayo, Bus Éireann). An vielen Orten gibt es auch keine Busse – beispielsweise, wenn man am Ende der Etappe ins nächstgelegene B&B gelangen möchte. Dann hilft nur, sich vom B&B-Inhaber abholen zu lassen oder in der nächsten grösseren Ortschaft ein Taxi zu rufen.

Wetter: „What a beautiful day“, riefen Leute häufig erfreut aus in den kleinen Gesprächen, die sich am Rande des Weges ergaben (die Iren sind da weitaus offener als wir Schweizer). Meist war dabei der Himmel zumindest stark bewölkt: Die Standards für einen schönen Tag sind in West-Irland eindeutig andere als bei uns. Häufig regnet es in Form von Nieselregen, besonders in Küstennähe toben manchmal aber auch recht üble Stürme – bevorzugt dann, wenn man ohnehin schon bis zu den Knöcheln im Morast der moorigen Pfade steckt. Immerhin war dies unser einziger Regentag – wir konnten uns also wirklich nicht über das Wetter beklagen.

Very interesting indeed
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