

61.000 Einwohner | 300 km2 | BSP 15.425 $
Im Nordosten Tobagos findet man, was man in der Karibik sonst vergebens sucht: Einsamkeit. Ich glaube, das ist einer der grossen Unterschiede der Karibik zu den Kleinstaaten im Pazifik: Sie fühlen sich oft an wie das Ende der Welt. Ganz anders die dicht besiedelten Kleinen Antillen, die zudem von Kreuzfahrten heimgesucht werden. Als ich aber mit dem Motorrad immer weiter entlang der Nordküste Tobagos fuhr, war ich plötzlich allein auf der Strasse. Zwischen Castara und Charlotteville begegnete mir kein anderes Fahrzeug. Da war es plötzlich, das Ende-der-Welt-Gefühl Ozeaniens. Die hohen grünen Hügel und palmenbestandenen, menschenleeren Buchten erinnerten mich an die Insel Guadalcanal auf den Salomonen. Die Strasse wurde immer schmaler und kurviger, teils sogar von Gestrüpp überwuchert. Eine spektakuläre Aussicht jagte die nächste und ich bangte darum, ob es mein Motorrad zumindest bis nach Charlotteville schaffen würde, der grösseren Ortschaft an der Nordspitze der Insel. Denn die Zündung, die vordere Bremse, der Rückspiegel und das Schloss des Kofferraums waren beschädigt, wie sich nach und nach herausstellte. In Charlotteville tankte ich und sah Rauch von den Bremsen aufsteigen. Nicht gut. Dennoch schaffte ich es an die Ostküste Tobagos bei Speyside, der Wellengang des Atlantik nun deutlich rauer, mit spektakulärer Aussicht auf die Insel mit dem fantasievollen Namen Little Tobago. Ansonsten klangen die Namen hier ungewöhnlich britisch: Es ging weiter durch Roxborough, Glamorgan, Pembroke und Scarborough. Dort trat ein, was ich schon länger befürchtet hatte: Ich stürzte mit dem Motorrad. Ich hätte nicht mit defekter Vorderbremse weiterfahren dürfen. Und das zwei Stunden vor dem Rückflug! Mir passierte nichts, aber die Plastikverschalung des Töffs war demoliert. ENDE DES REISEBERICHTS

61.000 Einwohner | 300 km2 | BSP 15.425 $
Auf meiner ersten Fahrt durch Tobago machte ich im kleinen Städtchen Plymouth Halt. Die Ortschaft wirkte ärmlich und langweilig. Ein Wegweiser zum «Courlanders Monument» machte mich aber neugierig. Ich staunte dann doch, eine ziemlich brutalistische Betonskulptur des lettischen Künstlers Janis Mintiks vorzufinden, die an die Zeit erinnerte, als Tobago eine Kolonie des Herzogtums Kurlands war. Kurland ist ein Vorgängerstaat Lettlands, der im 17. Jahrhundert unter Kontrolle der deutschen Siedlerfamilie Kettler stand. Die Kurländer unter den Kettlers versuchten ab 1639, auf Tobago Fuss zu fassen. In der Kolonie lebten Letten, Skandinavier, Niederländer, Franzosen, Deutsche, Juden, karibische Ureinwohner und Gambier (eine weitere kurländische Kolonie). Sie trafen aber auf den Widerstand der einheimischen Kariben sowie anderer Kolonialmächte. 1687 gab Kurland die Kolonie schliesslich auf, die Briten übernahmen die Insel. Komischerweise ist die Erinnerung an Kurland in der Gegend weiterhin präsent, unter anderem gibt es einen Supermarkt namens «Courland Superette».

1.4 Mio. Einwohner | 5128 km2 | BSP 15.425 $
Dem kurzen Aufenthalt in Trinidad hatte ich lange entgegengefiebert. Einerseits wegen der schlechten Sicherheitslage, aber noch viel mehr wegen der kulinarischen Verheissungen: Die eintönige Restaurantkost der Kleinen Antillen langweilte mich zunehmend. Ich hatte mir für einen Tag einen Fahrer organisiert, und er machte die Stadtrundfahrt zu einer Food-Tour. Los ging es mit dem obligaten Doubles-Frühstück am Strassenrand in einem Vorort: Fladenbrote mit Channa (geschmorte Kichererbsen) und süssen und scharfen Saucen. Den Schärfegrad gibt man mit no, slightly, medium oder much pepper an. Ich esse gern sehr scharf, aber hier traf medium schon meine obere Grenze. Weiter ging es ins indisch geprägte Chaguanas, wo die grösste Statue des Affengottes Hanuman ausserhalb Indiens steht. Ganz in der Nähe steht eine unscheinbare Imbissbude namens „Swaggy’s Roti Shop“. Roti ist eines der Nationalgerichte Trinidads, das sich auf die Nachbarländer verbreitet hat: eine Art Dürüm aus indischem Fladenbrot, Poulet (häufig mit Knochen), Kartoffeln und Currysauce. Wir mussten eine Halbstunde warten, um überhaupt zu bestellen – das sprach für Swaggy. Und tatsächlich: Die Saucen zu Poulet und Kartoffeln, hier in der Box gereicht (das dämpfend heisse Roti separat dazu), waren ein Feuerwerk. Was für ein Gegensatz zum uninspirierten Abklatsch in St. Vincent oder St. Lucia, der eher an Riz Casimir erinnerte. Und die Portionen waren riesig, so dass ich nach dem Dessert – einer Kokosnuss auf der Queen’s Park Savannah in der Hauptstadt Port of Spain – fast platzte. Wie üblich trank man zuerst die Nuss aus, bevor man sich ans Fruchtfleisch machte. Dann schlug der Verkäufer mit der Machete einen Schaber aus der Schale und zerteilte die Nuss, so dass man das Fruchtfleisch elegant rausschaben konnte. Als wir zwei Stunden später am Strand von Maracas ankamen, trat bei bestem Willen kein Hungergefühl mehr auf, aber auf die lokale Spezialität Bake and Shark verzichtete ich dennoch nicht: Ein Sandwich auf einem frittierten Brötchen und Backfisch (ja, es ist tatsächlich Hai). Die Trinis sind total in Saucen vernarrt und hier gab es ein ganzes Buffet, an dem man sich mit Mango-Chutney, grünen und roten Saucen, eingelegten Zwiebeln, diversen Salaten etc. bedienen konnte. Zurück am Flughafen war ich so gesättigt wie noch nie auf dieser Reise, obwohl ich kein Restaurant von innen gesehen hatte.

113.000 Einwohner | 344 km2 | BSP 9.130 $
In Kleinstaaten wie Grenada besuche ich gerne als erstes das nationale Parlament, das oft ein Schatz von Kuriositäten ist – siehe hier mein Bericht zu Parlamenten in Ozeanien. In den Kleinen Antillen sind die Parlamentssäle meist einfach ein Zimmer in einem Verwaltungsgebäude (oder einem Einkaufszentrum im Fall von Sint Maarten), wenig repräsentativ und für Besuche nicht geöffnet. Wie trumpft da das kleine Grenada auf! Das Parlament mit seinen 28 Sitzen ist ein ausladender, weisser Palast mit vielen Säulen, der von einem Hügel aus auf die Hauptstadt St. George’s hinunterblickt. Hier musste es nun endlich klappen mit einer Besichtigung! Und tatsächlich kam mir ein freundlicher Security entgegen, fragte mich nach meiner Herkunft und Absicht. Dann kam er etwas geheimnistuerisch darauf zu sprechen, dass da „things going on right now“ und dass ich doch nächstes Mal kommen solle. Welches „nächste Mal“? Jedenfalls nicht am gleichen Tag. Er wirkte, als sei da etwas unvorhergesehenes passiert. Dabei war fast kein Mensch zu sehen! Ob die beiden Limousinen mit getönten Scheiben und den Autonummern PM1 und PM2 damit zusammenhingen? Ich kam zum Schluss, dass es sich um einen Putschversuch oder die Vorbereitungs des Nationalfeiertags am 7. Februar handeln musste und insistierte darum nicht. Zurück in der Altstadt (eine solche gibt es hier wirklich!) traf ich auf ein zweites Parlamentsgebäude: Das York House, erbaut 1770. Ohne weiteres konnte ich es betreten, denn es war nur noch eine Gebäudehülle, die da an bester Lage im Stadtzentrum stand. Das Aussehen des Versammlungssaals liess sich nur noch erahnen, doch die Aussicht hinunter auf den Marktplatz war schön. Das York House fiel dem Hurrikan Ivan 2004 zum Opfer. Die Parlamentarier trafen sich daraufhin lange in Provisorien, bis 2018 das neue Parlamentsgebäude mit dem einprägsamen Namen „New Parliament Building“ eröffnet wurde.

113.000 Einwohner | 344 km2 | BSP 9.130 $
Ich habe viele schräge Blicke geerntet, als ich vor der Abreise von meinen Karibik-Reiseplänen erzählt habe. Strände, Palmen, Drinks – so kennt man mich eher nicht. In Grenada aber habe ich (nicht zum ersten Mal auf dieser Reise) einen Ort gefunden, der meinem Beuteschema absolut entspricht. Der Pearls Airport bei der Kleinstadt Grenville würde 1984 geschlossen, nur wenige Monate nach der Einnahme durch US-Truppen. Diese hatten 1983 Grenada angegriffen und den pro-sowjetischen Machthaber Maurice Bishop abgesetzt. Zum Zeitpunkt der Einnahme befanden sich auf dem Flughafen Pearls ein kubanisches Passagierflugzeug sowie eine Antonow-Propellermaschine der sowjetischen Aeroflot, offenbar ein Geschenk an Grenada zum Versprühen von Düngern. Erstaunlicherweise stehen diese beiden Flugzeug immer noch dort, das heisst, das was der Zahn der Zeit von ihnen übriggelassen hat. Rund um die Flugzeugwracks hat man Picknicktische aufgestellt, der Ort scheint ein beliebtes Ausflugsziel für die Einheimischen zu sein. Auch die 1600 Meter lange Landebahn existiert noch. Umgeben von hunderten leeren Kerosenfässern, wird sie als Strasse genutzt (trotz fehlender Unterhaltungsarbeiten wohl das beste Stück Strasse des Landes), als Testgelände für Fahrschüler und ein Teil als Kart-Bahn. Auch ich konnte mit dem gemieteten Töff mal richtig durchstarten. Auf den restlichen Strassen der Insel würde ich dies nicht wagen, wegen der „strategisch platzierten Schlaglöcher“ (O-Ton Warnhinweise des Vermieters) und der fast unsichtbaren Bremsschwellen. Seit 1984 hat Grenada deutlich näher bei der Hauptstadt einen neuen Flughafen. Er ist mittlerweile nach dem 1983 gestürzten und erschossenen Maurice Bishop benannt.

6.000 Einwohner | 34 km2 | BSP 9.130 $
Strände habe ich auf dieser Reise echt genug gesehen, doch als es im Reiseführer hiess, die Anse la Roche auf Carriacou sei ganz besonders schön und man sei dort in der Regel ganz allein (weil es keine Strasse dahin gibt) , liess ich mich doch verführen – zumal es auf meiner Wanderung nur einen Umweg von einem halben Kilometer bedeutete. Dass der Reiseführer gelogen hatte, zeigte sich sehr bald, als ich zwei Farmer aus dem US-Bundesstaat Washington überholte. Sie wussten, dass es da unten auch ein Restaurant geben sollte und tatsächlich: Am Ende des Wanderwegs befand sich eine Küche, die mich an Pfadilager erinnerte und in der zwei Köche bereits am Zwiebel rüsten waren. Spezialität des Hauses und neben Poulet einzige Auswahlmöglichkeit war grillierter Hummer. Der Koch legte mir diesen ganz besonders ans Herz – und auch allen später eingetroffenen Gästen, denn am Ende bestellte niemand das Poulet. Auf dem Grill brutzelten bald 15 riesige Hummerhälften. Ich war bisher eher ein Hummerskeptiker. Aber der Koch hatte nicht zu viel versprochen – so direkt aus dem Meer via Grill schmeckte er fantastisch.

Die Fähre MV Pride machte nicht den stabilsten Eindruck. Sie ist ein kleines Schifflein aus Holz, das wie selber gebastelt aussieht. Schon beim dritten Passagier, der sie betrat, brach die Holzleiter zum Zustieg zusammen. Der Kapitän, der aussah wie Snoop Dogg, wies mich an nicht ans Geländer zu lehnen – tatsächlich war es ziemlich wackelig. Die MV Pride macht zweimal pro Woche den Sprung über die Grenze zwischen Union Island (St. Vincent und die Grenadinen) und Carriacou (Grenada), das nur 10 Kilometer weiter südlich liegt. Für diese Strecke, bzw. etwas weiter, da der Hafen Carriacous im Südwesten der Insel liegt, braucht das Schiff anderthalb Stunden. Doch das ist nicht alles: Schon um 9 Uhr hatte der Kapitän die Passagiere per WhatsApp angewiesen, sich beim Migrationsamt am Hafen von Clifton einzufinden. In Ashton, von wo aus die Fähre verkehrt, gibt es nämlich keine Ausreisekontrolle – darum muss man sich schon selbst kümmern. Der Kapitän steckte sich die Pässe der versammelten neun Passagiere ein und verschwand im Büro. Eine Stunde später ging es erst mal im Bus weiter nach Ashton. Wo unsere Pässe abgeblieben waren, war lange unklar. Offensichtlich hatte der Kapitän sie behalten. Dieses Vorgehen kenne ich sonst eher von der illegalen Migration. Die Pässe tauchten wieder auf, als wir an der Carriacou Marina anlegten, wo wir den Einreisestempel von Grenada bekommen sollten. Auch hier war dies wieder mit einer Stunde Warten verbunden. Doch damit nicht genug: Es folgte eine weitere, kurze Fahrt mit der Fähre an den Hafen Tyrell Bay, wo sich das Zollamt in einer grossen Halle befindet. Die Zollkontrolle war kurz: Nach einer Viertelstunde tauchte ein korpulenter Mann mit einer Hanfblatt-Halskette auf, warf einen flüchtigen Blick auf das gesamte Gepäck und sagte nicht mehr viel als „OK“. Das war das Zeichen für Snoop Dogg: „You are free“, rief er, und verabschiedete sich von uns – um mit der nächsten Schar Passagiere zurück nach Union zu schippern.
Viele Bilder von diesem Grenzübergang im Twitter-Beitrag:

0 Einwohner | 13 ha
Tja, was soll man über diesen Ort überhaupt erzählen – er sieht halt genau so aus, wie man sich die Karibik in den kitschigsten Klischees vorstellt – ich erspare mir die abgegriffenen Floskeln und verweise auf die Fotos unten. Die Tobago Cays sind eine Gruppe von fünf unbewohnten Inseln in der Nähe von Mayreau, die als Ausflugsziele für Jachties, Taucher und Schnorchler beliebt sind. Von Union aus schaffte ich es nicht, kurzfristig ein Tagesausflugs-Angebot zu finden, und so fuhr ich einfach mit einem Boot von Tauchern mit auf die Cays. Wir hielten dann vor der Insel Petit Tabac – eine Sandbank mit ein paar Palmen, die für eine berühmte Szene aus „Piraten der Karibik“ bekannt ist und sich deshalb auch Sparrow Island nennt. Jede zweiter Antillen-Staat wirbt allerdings mit solchen Drehorten – die Filmemacher haben wohl Rücksicht genommen auf die lokale Tourismus-Industrie. Jedenfalls passte es dazu, dass ich die letzten 250 Meter zur Insel schwimmend zurücklegen müsste, denn das Boot blieb draussen bei den Tauchern.




2 Einwohner | 1 Bar | 2 Palmen
Es ist fast schon das Robinson-Klischee: eine Mini-Insel mit zwei Palmen – aber im Gegensatz zu Robinsons Insel auch eine Bar. Happy Island entstand, als man die Bucht von Clifton von Muscheln reinigte, die sich als Abfallprodukt der Fischerei anhäuften und das Meer verschmutzten. Also schichtete man sie alle an einer seichten Stelle etwa einen Kilometer von Union Island entfernt auf – es entstand eine künstliche Insel. Und was macht man am besten mit einer neuen Insel? Genau, eine Bar eröffnen. Der Barkeeper Janti Ramash, der bei der Hafensäuberung federführend gewesen war, baut die Insel seit Jahren ständig etwas aus, sie produziert sogär eigenen Strom. Klassiker ist es, von der Happy Island mit einem Rumpunsch in der Hand den Sonnenuntergang über Union Island anzusehen. Es ist aber gar nicht so leicht, da hinzukommen: Es gibt keine Fähre und Wassertaxis sind sauteuer (so im Bereich von 30 Franken für den einen Kilometer). Auf dem Hinweg könnte ich so eins mit anderen Barbesuchern teilen. Auf dem Rückweg spekulierte ich darauf, dass mich einer der zahlreichen Barbesucher mitnehmen würde. Falsch spekuliert: Es waren alles Yachties, die mit ihren Gummibooten gar nicht an Land fuhren. Als sich die Insel am Abend dann langsam leerte, kam also doch noch Robinson-Feeling auf.

10.000 Einwohner | 86 km2 | BSP 7.304 $
Eigentlich nervt es ja, wenn Fähren vier Stunden Verspätung haben. Besonders bei einer Fahrzeit von nur drei Stunden. Aber beim Bequia Express, der mich von St. Vincent nach Union Island brachte, war es fantastisch. Für eine Distanz von 65 Kilometern und ein Entgelt von 30 Franken sass ich ganze acht Stunden auf dem schattigen Deck der Røtinn I und genoss Inselhopping in Slow Motion – und ganz viel Vincy-Alltag. Das Beladen der Fähre begann um 10.30 und Passagiere waren noch keine da. Also zum Zeitpunkt, als sie eigentlich hätte losfahren sollen. Gemächlich kamen Bierkisten, Gärtnerei-Zubehör, Haushaltsgeräte, WC-Papier… Immer mit der Destination beschriftet: Canouan, Mayreau, Union. Auch die Fahrgäste trudelten nun allmählich ein. Um 12.30 Uhr legte die Røtinn I dann endlich ab. Das Schiff war zuvor in Nordnorwegen im Einsatz und darum sind immer noch alle Aufschriften auf Norwegisch (Bildekk!), Landkarten weisen auf Ausflugsziele in der Umgebung von Tromsø und von Brønnøysund hin. Mit nur 20 km/h ist das Schiff das langsamste bisher in den Antillen und so bot so sehr viel Zeit, die vielen kleinen Inseln der Grenadinen-Kette von Deck aus anzuschauen. Noch viel mehr Zeit ging für die Zwischenhalte auf den Inseln Canouan (1.700 Einwohner) und Mayreau (270 Einwohner) drauf. Das Be- und Entladen wirkte jeweils sehr ungehetzt und nahm beide Male ein Stunde in Anspruch. Dies führte dazu, dass sich die Zieleinfahrt auf der Insel Union in eine spektakuläre Sunset Cruise verwandelte. Um 14 Uhr hätte die Fähre eigentlich die Rückfahrt antreten sollen – ich hörte das Schiffshorn dann um 20 Uhr, als ich schon im Restaurant sass.

5.300 Einwohner | 18 km2 | BSP 7.304 $
Es gibt Reisetage, da jagt ein Highlight das nächste. Heute war so einer. Schon die Fahrt auf dem schattigen Deck der norwegischen Fähre Røtinn II bot prächtige Ausblicke auf die Inselwelt der Grenadinen. Auf der kleinen Insel Bequia angekommen, ging ich vorbei an der langen Reihe der lauten Taxifahrer zum öffentlichen Bus, der mich ins Dorf Paget Farm am anderen Ende der Insel brachte. Zu Fuss ging ich die letzten Meter bis an die Südwestspitze, wo ich auf den perfekten Strand und – wie könnte es anders sein – das Luxusresort The Liming traf. Dieses erfreute mich mit einem guten Cappuccino (was in den West Indies echt selten ist). Eine kleine Wanderung führte mich auf den Mount Peggy. Mit 240 Höhenmetern ist es keine Höchstleistung, die Belohnung dafür umso fürstlicher: Der Ausblick geht auf viele unbesiedelte Grenadinen-Inseln, den Flughafen bei Paget Farm, die grünen Bergrücken und hinunter auf die türkisfarbenen Buchten bei Port Elizabeth, dem Hauptort von Bequia. Ich stieg zu einer dieser Buchten, dem Lower Bay, hinunter und kühlte mich im klaren Wasser ab, das auch aus der Nähe äusserst einladend war. Ein paar Meter gab es an einer Strandbar einen ausgezeichneten Thunfischburger und auf dem landschaftlich ansprechenden Spaziergang zurück zur Fähre ein lokales Hairoun-Bier (das für einmal nicht zur Heineken-Gruppe gehört). Es war echt ein perfekter Tag. Bequia war die 13. Insel dieser Antillen-Reise und eindeutig die schönste bisher. Ich habe nun schon einige karibische Strände, Buchten und Berge gesehen, und dennoch beeindruckte mich fast jeder Anblick von Bequia. (Yeah, St. Barts kann endlich einpacken, da wär es ja leider auch sehr schön).

111.000 Einwohner | 389 km2 | BSP 7.304 $
Am Strassenrand hatte sich eine Gruppe Menschen versammelt: ein paar Schulkinder, Frauen mit grossen Taschen und eine ältere schwedische Touristin. Vor uns toste der Verkehr, auf der anderen Strassenseite dröhnte Reggaeton-Musik aus einer Bude, in die Kunden bei grilliertem Poulet und Hairoun-Bier beisammen sassen. Unsere Gruppe hingegen wartete auf den Bus. Es war schon fast 19 Uhr, aber sowohl das Personal am Flughafen als auch die Mitwartenden hatten mir versichert, dass noch ein Bus kommen würde. Also setzte ich mich an den Strassenrand, las im fantastischen Buch von Serhii Plokhy über die letzten Wochen der Sowjetunion und genoss es, in einem neuen Land angekommen zu sein. Zwar war ich am Flughafen angekommen, definitiv nicht meine Präferenz, doch von dort aus stieg ich hoch zur Hauptstrasse und wollte mit dem Bus in die 20 Kilometer entfernte Hauptstadt Kingstown reisen. So oft war ich in der Vergangenheit in solchen Situationen gebangt, ob alles klappt, doch nun war ich völlig entspannt, denn auch die Einheimischen warteten, also würde ein Bus kommen. Doch ich täuschte mich. Zum ersten Mal in meinem Reiseleben lagen die Einheimischen falsch und es kam kein Bus mehr. Nach mehr als einer Stunde bestand eine passierende Taxifahrerin darauf, für mich und die Schwedin einen Fahrer zu organisieren, Lehn heisse er, wir sollten auf Lehn warten und uns nicht von hier wegbewegen – und tatsächlich tauchte Lehn auf, bevor sich irgendeine andere Reiseoption ergeben hätte, und fuhr uns zu einem fairen Preis in die Hauptstadt.

287.000 Einwohner | 430 km2 | BSP 15.346 $
Gestern habe ich noch über die Strände geschnödet, und heute den für mich bisher schönsten Strand gefunden. Bathsheba liegt an der Ostküste von Barbados. Die Gegend ist dünn besiedelt, vereinzelt ragen die Doppelgiebel der Chattel-Häuser aus den Palmenwäldern. Hier geht immer eine Brise und das Meer ist wild. Schilder warnen Touristen davor, zu baden: „Es könnte sein, dass du nicht mehr zurückschwimmen kannst.“ Die stürmische See hat enorme Gesteinsformationen aus dem Küstengebirge herausgewaschen, die wie riesige Findlinge am Strand stehen. Über Kilometer kann man hier dem Strand entlangwandern, ohne anderen Menschen zu begegnen. Denn der Tourismus ist an der lieblicheren Süd- und Ostküste beheimatet, die Westküste fast unberührt. Am Ende der Spaziergangs gelange ich zu einer kleinen Bar bei der Kirche von Bathsheba, wo ich ein Banks-Bier bekommt – mit bester Aussicht auf die Küste. Wer will, kann der ganzen Ostküste auf einem Trailway entlangwandern. Ich nahm den Bus, denn das Beste war: Obwohl die Gegend so abgelegen ist, fahren regelmässig Busse nach Fahrplan – dies ermöglichte mir, eine gemütliche Rundreise über Speightstown und Farley Hill zu machen, mit abschliessendem Fischmahl an Oistins‘ berühmten Fish Fry. Echt Luxus, so ein Fahrplan!

287.000 Einwohner | 430 km2 | BSP 15.346 $
Endlich wieder Städtetourismus! Die ewigen Strände und Wasserfälle hängen mir nämlich schon zum Hals raus. Barbados hat da was zu bieten, eher unerwartet: Die Hauptstadt Bridgetown ist UNESCO-Weltkulturerbe! Um ehrlich zu sein, die Stadt hat mich nicht umgehauen, daher ist dies kein eigentliches Highlight. Definitiv gibt es eine Menge historischer Sehenswürdigkeiten, allen voran die sehr britisch aussehenden Parlamentsgebäude (leider im Umbau). Oder die Konzentration verschiedenster Gotteshäuser, mit Kathedrale, Synagoge und Moschee innerhalb weniger Meter. Doch wirkt die Stadt ungemütlich, das Stadtbild ist wir überall sonst von zweckmässiger Betonarchitektur der 1970er geprägt. Darüber hinaus gibt es keinerlei Cafés oder Restaurants, wo man sich kurz ausruhen könnte. Da Barbados als flache Insel viel heisser ist als die bisherigen, war ich bald hungrig und erschöpft und schleppte mich etwas unmotiviert durch die geschäftigen Gassen. Bis mich dann der Boardwalk im Vorort Hastings versöhnte: Eine belebte Strandpromenade mit ansprechenden Restaurants und Bars – sieht man in der Karibik sonst absolut nie!

184.000 Einwohner | 616 km2 | BSP 8.935 $
Was alle karibischen Länder, die ich bisher bereist habe, gemeinsam haben: Neben der nationalen Flagge sieht man ständig die alte Flagge des äthiopischen Kaiserreichs. Gestern war ich im nördlichsten Dorf St. Lucias und fand dort ein besonders schönes Exemplar. Der Kult um die äthiopische Flagge finde ich schon etwas amüsant, denn in Äthiopien selbst ist diese Flagge und die Erinnerung an das Kaiserreich nicht gerade populär: Der letzte Kaiser, Haile Selassie, hatte das Land mit eiserner Hand und fernab von Realität und Modernität geführt, was letztlich zu seinem Sturz führte (sehr empfehlenswert das Buch von Alex Capus dazu). In Jamaika hingegen wurde Haile als Messias verehrt, da er zur Kolonialzeit der Führer des einzigen unabhängigen afrikanischen Lands war. Nach seinem bürgerlichen Namen Ras (=Kaiser) Tafari wurde sogar der Kult benannt und letztlich auch die Dreadlocks, für welche die Rastafari bekannt sind. Dieser Kult ist auf allen Kleinen Antillen sehr lebendig, Reggae-Musik, Rastalocken und Joints sind überall präsent. Jamaika ist hier offensichtlich Leitkultur – und trotz Verwendung der Flagge nicht Äthiopien. Denn mit der dortigen Kultur hat der Rastafari-Kult absolut nichts gemeinsam – Kiffen und Dreadlocks etwa sind praktisch unbekannt, ausser von den Rastas, die nach Shashemene pilgern.

184.000 Einwohner | 616 km2 | BSP 8.935 $
Rio hat einen Zuckerhut, St. Lucia deren zwei: Der Petit Piton und Grand Piton bei Soufrière. Dieser Tatsache kann man kaum ausweichen. Schon in Martinique hatte ich in den Supermärkte Piton-Bier gesehen mit den beiden markanten Bergen auf dem Etikett. Nun in St. Lucia angekommen, verfolgen sie mich auf Schritt und Tritt – auf Wandmalereien, Wahlplakaten, Postkarten und allen anderen Souvenirs. Selbst die Flagge von St. Lucia zeigt eine stilisierte Form des Piton. Also wollte ich mir auch das Original anschauen gehen, und zwar am liebsten mit Mietroller oder -auto, denn die Attraktionen dieser Gegend sind weitläufig verstreut. Das scheiterte, denn die beiden Mietroller St. Lucias sind derzeit defekt und die Autovermietungen entweder geschlossen oder ausgebucht. Also nahm ich doch den Bus (9 ostkaribische Dollar, 1 h Fahrzeit) und stieg zwei Kilometer vor dem Ziel – der Stadt Soufrière – an einer Stelle mit besonders schöner Aussicht aus. Wie sich herausstellte, befand sich dort ein Restaurant, das gerade seine Pforten öffnete und mich als ersten Gast begrüsste. Ganz allein konnte ich die fantastische Aussicht auf die ikonischen Berge geniessen – und auf Soufrière, die alte Hauptstadt. Es ist eine Stadt, die man besser aus der Ferne geniesst. Denn sobald ich dort angekommen war, belagerten mich ausgesprochen lästige Typen, die mir Ausflüge oder Bootstaxis andrehen wollten – letztere zum Sugar Beach, der sich zwischen den beiden Pitons befindet. Wie ich online gelesen hatte, befindet sich dort ein Resort, das die öffentliche Nutzung des Strand nur sehr restriktiv gestattet – hat es doch extra tonnenweise weissen Sand eingeflogen, um den vulkanischen schwarzen Sand zu überdecken. Mein Interesse hielt sich also in Grenzen, aber ich hatte keine Lust, dies jedem dahergelaufenen Tagedieb zu erklären. Bei dieser Gelegenheit fiel mir aber auf, dass ich bisher von solchen Auswüchsen des Tourismus verschont geblieben war und die Einheimischen aller anderen Inseln stets als freundlich erlebt hatte.

184.000 Einwohner | 616 km2 | BSP 8.935 $
In St. Lucia gibt es fantastischen Street-Food! Auf meinem ersten Streifzug durch die Hauptstadt Castries ist mir dies am meisten aufgefallen. Denn das gab es auf den bisherigen Inseln praktisch nie. Auf den Strassen von Castries dominieren die kulturellen – und offenbar auch kulinarischen – Giganten der Region: Jamaika und Trinidad. Warme jamaikanische Patties (pikante Empanadas mit Poulet- oder Rindsfüllung) gibt es an vielen Kiosks, ausserdem rauchen an manchen Ecken die Smoker der Jerk-Stände, die grilliertes Fleisch in scharfer Marinade anbieten. Die Fleischlastigkeit der hiesigen Küche hängt mir mittlerweile aber etwas zum Hals hinaus, weshalb ich den Beitrag aus Trinidad an einem unscheinbaren Stand vor dem Markt besonders schätzte: Doubles. Das sind gelbe Fladenbrote mit einer Füllung aus geschmorten Kichererbsen, Gurken sowie Chili- und weiteren Saucen. Komplett anders als was es sonst in der Region gibt – und fantastisch. Ich bin dreimal an den Stand zurückgekehrt.

364.000 Einwohner | 1108 km2 | BSP 24.964 $
Prinzipiell besuche ich in jedem Land eine Stadt, die in Reiseführern nicht erwähnt ist, um einen Eindruck vom normalen Alltag zu gewinnen. Auf den kleinen Karibik-Inseln ist dies gar nicht einfach, da es ohnehin fast keine Städte gibt. In Martinique wurde ich aber fündig. Le Lamentin hat rund 40.000 Einwohner und liegt in der Banlieue der Hauptstadt Fort-de-France. Man kommt da einfach hin mit dem „Bus à Haut Niveau de Service“ (BHNS), einer Schnellbuslinie mit eigener Spur, die zum Flughafen verkehrt. Einfach aber nur theoretisch, denn es war Streik (wir sind immer noch in Frankreich) und ich musste ein Drittel der Strecke zu Fuss gehen. Le Lamentin war keineswegs nur eine Schlafstadt, sondern stellte sich als freundliche Kleinstadt heraus, mit einer Bäumen bestandenen Piazza vor der grossen Kirche, um die sich verschiedene kleine Läden gruppierten. Es ist die Partnerstadt von Santiago de Cuba, darum weht neben dem Rathaus eine riesige kubanische Flagge. Und laut Eigenwerbung gibt es den besten Kebab von Martinique, der tatsächlich nicht schlecht war. Die Stadt fühlte sich viel karibischer an als der Rest der Insel: In den Strassen hörte man – wie auf den englischsprachigen Nachbarinseln – überall Reggae, abgesehen von der kubanischen hingen auch äthiopische Flaggen, und es gibt deutlich weniger Weisse (da diese wohl sonst vorwiegend Touristen sind).

364.000 Einwohner | 1108 km2 | BSP 24.964 $
Um ehrlich zu sein: Richtige Reise-Highlights erlebe ich in Martinique nicht. Die Insel ist total Komfortzone: Ich habe ein schönes Hotelzimmer, esse und trinke ausgezeichnet und die Ausflüge klappen dank der guten ÖV-Infrastruktur wie am Schnürchen. Die perfekte Erholung nach dem aufreibenden Dominica. Ich geniesse es. Aber: Wie Reisen fühlt es sich halt auch nicht an. Jetzt freue ich mich darauf, dass es bald in den „echten“ West Indies weitergeht. Und sonst: Heute war ich in St-Pierre. Das war einst die wichtigste Stadt der französischen Karibik, bis sie 1904 ein Vulkanausbruch komplett zerstörte. Es gab fast keine Überlebende. Davon hat sich St-Pierre nie erholt. Heute stehen immer noch eine Menge Ruinen herum und die einstige Metropole hat eher dörflichen Charakter, der täglich zwischen 10 und 15 Uhr etwas aufgelockert wird, wenn die Tagesausflügler hereinströmen. Hier machte ich endlich Bekanntschaft mit Ti Punch, dem Nationalgetränk Martiniques, das es in jeder Strandbar gibt. Ich erwartete ein Mischgetränk, ähnlich dem Rumpunsch der englischsprachigen Inseln. Doch die Franzosen beschränken sich aufs Wesentliche: Ein Shot Rum, ein paar Schnitz Limetten und Rohrzucker. Das wars auch schon mit den Experimenten heute – aber bald geht das richtige Reisen weiter!

364.000 Einwohner | 1108 km2 | BSP 24.964 $
Les Anses d’Arlet ist der schönste Ort, den ich bisher in der Karibik gesehen habe. Die Tür des alten Kirchleins mit seinem roten Turm öffnet sich direkt auf den Steg, der hinaus in die prächtige Bucht führt – zu beiden Seiten Sandstrand. Es ist das am meisten fotografierte Motiv Martiniques und Selfie-Spot schlechthin. Und dennoch wird Anses d’Arlet alles andere als von Touristen überrannt. Es gibt keine Resorts und Gourmetrestaurants, nur ein paar Strandcafés mit Plastikstühlen. In so einem habe ich gegessen: Grillierter, mit Zuckerrohr-Stücken versetzter Pouletschenkel und frites maison – auch punkto Essen schaffte es das Dorf in die Top 5. Ansonsten kann man hier eigentlich nicht viel tun – ein bisschen baden mit Aussicht auf Kirchleins und pastellfarbene Häuschen, ein Lorraine-Bier in einer Strandbar trinken, der Spaziergang hinüber zur Grande Anse mit Aussicht auf das Dorf. Ein Luxus ist, wie einfach man die Gegend mit dem öffentlichen Verkehr erreicht (und das obwohl der wirklich lausige Lonely Planet empfiehlt, einfach ein Auto zu mieten). Von Fort-de-France aus queren alle 20-30 Minuten die Schiffe von Vedettes Tropicales die grosse Bucht an den Strand von Anse à l’Âne (was für ein Zungenbrecher), von dort aus Busse der Linie Ea/Eb weiter nach Anses d’Arlet. Alle Fahrplänen finden sich online und stimmen auch. Sowas hatte ich auf der ganzen Reise noch nie erlebt – aah, man kann so viel mehr aus dem Tag machen, wenn man nicht auf gut Glück ewig an Haltestellen herumsitzen muss! Auf dem Rückweg lag sogar ein weiteres Lorraine drin beim Umsteigen am Eselstrand…

364.000 Einwohner | 1108 km2 | BSP 24.964 $
Heute war exakt die Mitte meiner Reise – sowohl geografisch als auch zeitlich. Zum ersten Mal habe ich absolut nichts unternommen und bin nicht gereist – und das im Schlaraffenland: Fort-de-France, die Hauptstadt von Martinique, fühlt sich richtig urban an, noch viel mehr als Pointe-à-Pitre. Es gibt hier eine Auswahl guter Restaurants, Cafés, Läden, sogar eine Fussgängerzone und noch besser: eine Buchhandlung! Dieses Angebot habe ich ausgiebig genutzt und geschätzt. Denn in dieser Hinsicht unterscheiden sich die französischsprachigen Inseln ganz gewaltig von den englischsprachigen. Das Angebot ist unendlich viel besser, besonders in kulinarischer Hinsicht. In Dominica musste ich jeweils dort essen, wo es überhaupt etwas gab (was immer sehr bescheiden war) – hier konnte ich mich kaum entscheiden. Einerseits sind die französischen Inseln, die Teil der EU sind, wohlhabender als die unabhängigen englischsprachigen Inseln. Andererseits sind sie auch deutlich dichter besiedelt: Fort-de-France allein hat mehr Einwohner als ganz Dominica.

364.000 Einwohner | 1108 km2 | BSP 24.964 $
Das heutige Highlight ist mehr ein Tiefpunkt. Es ist nämlich Karneval in Martinique. Exakt im Moment meiner Ankunft. Mit Epizentrum unter meinem Hotelbalkon. Ich hasse Fasnacht, und auch ein karibischer Karnevalsumzug stimmt mich da nicht gnädiger. Besonders wenn er am Abend eines langen Tages in ohrenbetäubender Lautstärke vor meinem Fenster auftritt. Nachdem ich mich zuvor durch die unerbittlichen feuchte Schwüle Dominicas gekämpft habe, dort nichts zu Essen gefunden habe, weil am Sonntag wirklich alles geschlossen ist (inklusive der Läden) und mir deshalb leicht übel geworden war, nach dem Chaos bei der Ausreise aus Dominica und dem noch viel grösseren Chaos bei der Einreise nach Martinique. Ernsthaft, dass Frankreich seine Grenzen dermassen nicht im Griff hat, hat mich überrascht. Rund 150 Passagiere strömten vom Boot ins Hafengebäude, nahmen ihr Gepäck in Empfang und standen dann beim Zoll an, wo ein einziger Zöllner die Ausweise kontrollierte und ihm plötzlich in den Sinn kam, dass die Grenzkontrolle – noch vor der Gepäckausgabe – eigentlich die Ausweise kontrollieren sollte und offensichtlich einfach niemand da war. Also mussten alle zurück an den Start, grosses Gedränge, die Letzten waren plötzlich die Ersten und die vormals Ersten empört. Ich sehnte mich nur noch nach Ruhe und endlich etwas zu Essen. Und dann Karneval. Nur mit Mühe konnte ich überhaupt zum Eingang des Hotels vordringen, mich mit der Receptionistin nur in Zeichensprache verständigen. Jetzt ist der Umzug endlich zuende, aber es ist noch lauter geworden, da es offenbar zur hiesigen Tradition gehört, mit Motorrädern und Autos explosionartige Knallgeräusche zu produzieren (In Guadeloupe hatten sie dies mit alten Schiffsseilen getan, das hätte Stil! Aber mit Motorfahrzeugen, echt jetzt…). Ja, heute bin ich ein Bünzli, komme in einem neuen Land an und schimpfe über die dortigen Gebräuche. Morgen ist der Karneval vorbei, dann bin ich wieder offen und tolerant.
72.000 Einwohner | 750 km2 | BSP 7.416 $
Der Boiling Lake Trail gehört zu den besten Wanderungen, die ich gemacht habe. Warum? Erstens führt sie durch vulkanische Gebiet, das hält alle Sinne auf Trab. Man riecht Schwefel, hört es überall blubbern und zischen und sieht an vielen Orten Dampf aufsteigen. Unzählige warme und heisse Bäche mit milchigweissem oder tiefblauem Wasser muss man überqueren. Und die Vegetation ist bei weitem nicht so üppig wie sonst in den Tropen, was auch mal schön anzusehen ist. Zweitens ist ein Thermalbad inbegriffen, denn manche der warmen Bäche bilden kleine Pools, in die man sich legen und von den Strapazen erholen kann (bevor es dann nochmals über die Berge zurück zum Ausgangspunkt geht). Drittens ist die Wanderung landschaftlich äusserst abwechslungsreich – zuerst Regenwald, dann über einen Berggrat mit viel Nebel, hinunter ins vulkanisch aktive Valley of Desolation und schliesslich den warmen Bächen entlang wieder hinauf zum Boiling Lake. Und damit viertens, das Ziel ist wirklich beeindruckend: Der Boiling Lake ist der zweitgrösste siedende See der Welt. Viel Geduld braucht es allerdings, um einen Blick auf den brodelnden Mittelpunkt des Sees zu erhaschen – nur wenn der Wind von der richtigen Seite bläst, hebt sich der Dampf des Sees ein wenig und gewährt einen Einblick in das Innere des Hexenkessels. Es gibt übrigens online eine Debatte darüber, ob man die Wanderung mit Guide (offiziell empfohlen) oder ohne machen soll. Auch ich habe deshalb lange gezögert und sicher hundert Reviews gelesen auf Seiten wie Alltrails. Letztlich bin ich – als durchschnittlicher Schweizer Wanderer – zufrieden, dass ich allein gegangen bin. Der wirkliche Grund, warum man einen Guide braucht, ist die Durchquerung des Valley of Desolation mit seinen siedenden Quellen und unterirdischen heissen Wasserläufen. Bei einem falschen Tritt kann man in diese einbrechen und sich verbrennen. Ich fand es aber nicht schwierig zu erkennen, wo andere Wanderer durchgelaufen waren und wo der Boden nicht „vulkanisch“ aussah. Wegen der Orientierung braucht man definitiv keine Führung: Es ist der einzige Wanderweg weit und breit und es ist praktisch immer gut ersichtlich, wo man gehen muss. Allerdings ist der Weg offiziell „until further notice“ gesperrt und das hat seinen Grund: Die letzten Unterhaltsarbeiten liegen sicher schon lange zurück, die Erosion ist fortgeschritten. Viele Stellen des Wegs sind weggespült, dann muss man die Hände zu Hilfe nehmen, um weiterzukommen. Auch haben sich einige schlammige Seelein gebildet, die man kaum trockenen Fusses überqueren kann. Fast die ganzen 5 Kilometer bestehen aus steilen Auf-oder Abstiegen, so dass man dafür wirklich drei Stunden pro Weg braucht, kurze Foto- und Badestopps eingeschlossen. Und man darf sich nicht die Illusion machen, dass man nicht nass bleibt: Der Weg ist durchgehend schlammig und das Gebirge ausgesprochen regenreich. Ich war klitschnass, als ich zurück beim Auto war. Dennoch war es eines meiner besten Erlebnisse bisher in der Karibik.

72.000 Einwohner | 750 km2 | BSP 7.416 $
In Dominica gibt es heisse Quellen: An vielen Orten der Insel sprudelt schwefelhaltiges heisses Wasser aus dem Fels, und manch einer der Bäche ist deshalb ziemlich warm. Tatsächlich gibt es darum auch Thermalbäder, und das Zentrum der dominicanischen Bäderlandschaft heisst Wotton Waven, ein kleines Dorf in den Bergen überhalb von Roseau. Nun lädt das schwülheisse Klima der Karibik eigentlich nicht zum Bad im heissen Thermalwasser ein. Aber heute hat es fast den ganzen Tag geregnet, und in 400 Metern Höhe, wo sich Wotton Waven befindet, war es am Abend angenehm frisch. Noch angenehmer war es deshalb, in das Outdoor-Becken mit 40 Grad warmem, schlammigen Schwefelwasser zu steigen und sich zu entspannen. Das hat richtig gut getan, nachdem ich mich den ganzen Tag mit dem Mietauto über kaum befahrbare Pisten gequält hatte.

2.500 Einwohner | 15 km2
Waffen und Bazillen rotteten die Ureinwohner der Antillen nach Ankunft der Kolonialherren innert weniger Jahrzehnte aus. Alle Ureinwohner? Nein, es gibt ein gallisches Dorf, in dem die Kariben überlebt haben. Viele von ihnen sind nicht verblieben, man spricht von 300 bis 1.000 „reinblütigen“ Kalinago, wie die Kariben sich selbst bezeichnen. Doch immerhin haben die Kalinago ihr eigenes, autonomes Territorium an der abgelegenen Ostküste Dominicas. Wobei es mit der Autonomie nicht mehr weit her ist, wenn man dem Cassava-Bäcker Daniel glaubt. „Für unsere Selbstverwaltung ist der Chief zuständig. Aber der Chief wird von der Regierung in Roseau bezahlt – also arbeitet er auch für sie, und nicht für uns“, erklärte er. Der amtierende Chief Lorenzo Sanford hat sein Amt 2019 angetreten und tatsächlich einen schweren Stand. Eigentlich gelten im Kalinago-Territorium eigene Gesetze, welche die Kalinago nach ihrer Tradition festlegen. Doch haben die Kalinago keine Institution geschaffen, welche die Umsetzung dieser Gesetze überwacht. Hingegen hat die Regierung Dominicas im Hauptort Salybia einen Polizeiposten hingestellt. Die Polizisten setzen das dominicanische Recht durch. Das Kalinago-Territorium umfasst acht Dörfer und erstreckt sich etwa entlang von zehn Küstenkilometern. Es fühlt sich aber deutlich grösser an, denn die Strasse ist unglaublich kurvenreich und in einem extrem schlechten Zustand (ich musste sogar einen kleinen Fluss furten), so dass man gut anderthalb Stunden für die Strecke braucht. Wenn man denn nicht unterwegs anhält, etwa beim erwähnten Cassavabäcker, der die ursprüngliche Brotherstellung der Kalinago wieder zum Leben erweckt hat und mittlerweile in ganz Dominica Nachahmer findet. Das noch warme, süssliche Brot war der perfekte Snack am Mittag. Weniger spannend fand ich die hiesige Ballenberg-Version „Kalinago Barana Aute“, in dem man ein Kalinago-Dorf rekonstruiert hat und Touristen zuschauen können, wie heutige Kalinago in den Kleidern ihrer Vorfahren Körbe flechten oder tanzen. Irgendwie sah es genau gleich aus wie entsprechende Orte in Nagaland oder Palau. Allerdings erfreute sich das Dorf der landschaftlich spektakulärsten Lage auf einer von der Natur ohnehin gesegneten Insel, an der Stelle, wo ein Bach über einen Wasserfall ins Meer mündet. Cassavabäcker Daniel befürchtet, dass bald nicht viel mehr von der Kalinago-Kultur bleiben könnte. „Viele Schwarze ziehen in unser Gebiet – und viele von uns ziehen in die Hauptstadt oder auf andere Inseln, und heiraten natürlich keine Kalinago.“

72.000 Einwohner | 750 km2 | BSP 7.416 $
Dominica war keine Liebe auf den ersten Blick. Meine Fähre war zu spät angekommen, die Grenzkontrolle war langsam und chaotisch, die Autovermietung stellte sich als wenig vertrauenserweckend heraus (ich fand sie kaum, da es ein verstecktes schmuddeliges Büro in einem Wohnhaus war) und zum Schluss musste ich einen hiesigen Führerschein machen. Das ist eine beliebte Methode der meisten Karibik-Inseln, die Touristen um ein paar Dollar zu erleichtern: Weder der nationale noch der internationale Führerschein sind anerkannt, man muss einen lokalen machen, der viel kostet und einfach ein Fetzen Papier ist, für den sich dann nie mehr jemand interessiert. Hier in Dominica bedeutet das aber nicht nur Kosten, sondern vor allem Bürokratie. Ich musste den Inland Revenue Service finden, mich lange in der Schlange anstellen, meinen Antrag abgeben und dann nochmals bei der Kasse warten, bis ich endlich die Quittung mit meinem Namen drauf bekam, die hier die Fahrbewilligung sein soll. Als ich aber am Abend auf einer Mauer des britischen Fort Shirley ganz im Norden Dominicas sass und auf die Prince Rupert-Bucht blickte, war ich wieder versöhnt. Die letzten Sonnenstrahlen beleuchteten die Häuser von Portsmouth, der zweitgrössten Stadt des Landes, dahinter erhoben sich die grünen, wilden Berge und ein Regenbogen. Ich war ganz alleine dort, die Tagestouristen hatten das Fort bereits verlassen und sogar die Ticketkasse war geschlossen. Und doch hatte ich wohl den schönsten Moment des Tages erwischt, diesen Ort zu besuchen.

384.000 Einwohner | 1636 km2 | BSP 25.479 $
Heute Abend bin ich in ein Pub am zentralen Platz von Pointe-à-Pitre gesessen, habe ein einheimisches Corsair-Bier bestellt und das nächtlichen Treiben der grössten Stadt von Übersee-Frankreich beobachtet. Der Wirt plauderte mit dem Postfilialen-Betreiber von nebenan, eine Gruppe Franzosen fachsimpelte über Destinationen in Guadeloupe und älteres Pärchen entschloss sich nach einem Blick auf die Speisekarte dagegen, sich auch im Pub hinzusetzen. Das alles wäre wenig bemerkenswert, wäre es nicht das einzige gewesen, was es überhaupt zu beobachten gab. Auf dem ganzen Marktplatz war sonst kein weiterer Mensch. Alle Läden waren geschlossen, die Halle des Gewürzmarkts leer. Dabei war es erst 18.30 Uhr. Guadeloupe ist ein Teil Frankreichs, ein Teil der EU, und fühlt sich auch in fast jeder Hinsicht so an. Aber der Tagesrhythmus ist ein anderer. Wer hier morgens um 6 Uhr auf die Strasse geht, sieht mehr Menschen als abends um 6 Uhr. Im Stadtzentrum von Pointe-à-Pitre reiht sich ein Laden an den andern, tagsüber herrscht emsiges Treiben, doch ab 17 Uhr schliessen die Läden und ab 18 Uhr ist niemand mehr zu sehen. Man lebt nach dem Rhythmus der Sonne, so wie ich es sonst nur aus Afrika kenne. Dies alles tat meinem Genuss keinen Abbruch, mal wieder auf einem Platz in einer Grossstadt ein Bier zu trinken – seltenes Vergnügen in der Karibik – auch wenn ich dabei fast allein war. Zum Glück hatte ich zuvor im Supermarkt eine Auswahl französischer Käse gekauft, denn als kulinarische Optionen bleiben am Abend McDonald’s (bis 19 Uhr) sowie Pizza und Taco-Take-away. So ist Frankreich.

384.000 Einwohner | 1636 km2 | BSP 25.479 $
Das heutige Highlight hängt mit der Grenze zusammen, die hier im Bild zu sehen ist: Links ist das Privatgelände eines Resorts, rechts der öffentliche Strand. Auf den Karibikinseln ist der Strand fast immer öffentlich, selbst vor den luxuriösesten Hotels. Das sind immer auch die schönsten Strände, und es gibt keinen Grund, an weniger schönen Orten zu baden, denn es ist erlaubt und gratis. Heute war ich am Caravelle-Strand in Sainte-Anne, angeblich einem der schönsten Karibikstrände. Davon gibt es auf jeder Insel etwa fünf. Aber Caravelle lässt sich schon sehen, schneeweiss, türkisblau, man kennt es aus der Werbesprache („schneeweiss“ ist immer eine Übertreibung, er ist hellgelb, weiss war nur der erste Strand dieser Reise in Anguilla). Wie üblich genehmigte ich mir ein Bier an der Hotelbar und genoss die Ruhe, die ich nach den etwas hyperaktiven ersten zwei Wochen dringend nötig hatte. Als es dann ums Bezahlen ging, stellte sich heraus, dass es ein All inclusive-Resort war und der Barkeeper mein hellblaues Anti-Moskito-Bändeli mit dem Resort-Bändeli verwechselt hatte, das tatsächlich fast gleich aussah. Freibier!

384.000 Einwohner | 1636 km2 | BSP 25.479 $
Der Lonely Planet lässt kein gutes Haar an Pointe-à-Pitre, der grössten Stadt von Guadeloupe. Die Stadt sei heruntergekommen und man solle hier nur übernachten, falls man am Morgen früh auf eine Fähre müsse. Am Abend und am Sonntag sei die Stadt ausgestorben. Dann solle man sie aus Sicherheitsgründen besser meiden. Dies alles hatte ich nicht bedacht, als ich meine Reise plante – mit Ankunft am Sonntagmittag und drei Übernachtungen in Pointe-à-Pitre. Ich erwartete also ein karibisches Shithole und stellte mich auf einen Nachmittag in der Wohnung ein, die ich hier mangels Hotels gebucht hatte. Angesichts meines hohen Reisetempos der ersten zwei Wochen schien dies ohnehin kein schlechter Plan. Aber der Lonely Planet kann einpacken: „PAP“ ist eine coole Stadt: Lebendig, authentisch und voller Street Art. Tatsächlich, ein Bijou ist die Stadt nicht und zerfallende Häuser findet man in der Innenstadt viele. Dafür ist es eine richtige Stadt mit engen Gässchen und einem Alltag, der nicht auf den Tourismus ausgerichtet ist. Zudem gibt es architektonisch durchaus ansprechende Ecken und eine Kathedrale, deren Innendeko ungewöhnlicherweise mit Stahl gestaltet ist. PAP fühlte sich an wie eine lateinamerikanische Stadt, die sie eigentlich ja auch ist. Mit der entsprechenden Kleinkriminalität, die an diesem Sonntag wohl deshalb nicht in Erscheinung trat, weil wegen des Karnevals am Abend viele Leute unterwegs waren.

32.000 Einwohner | 53 km2 | BSP 21.987 $
Oyster Pond ist die einzige Ortschaft der Kleinen Antillen, die von einer Grenze geteilt wird: Der Norden gehört zu Frankreich, der Süden zum mit den Niederlanden assoziierten Sint Maarten. Natürlich wollte ich mir das anschauen. Doch sehr viel mehr als ein Schild mit der Aufschrift „Bienvenue dans la partie française“ hatte der Grenzübergang nicht zu bieten. Links von ihm lagen Villen und Hotels, rechts von ihm ebenso. Sie gruppierten sich als Arena um eine Lagune, den namensgebenden Oyster Pond (einen französischen Namen hat das Dorf nicht). Der wahre Reiz von Oyster Pond erschloss sich erst auf den zweiten Blick. Zuerst beim Essen: So unscheinbar die Grenze geografisch ist, so spektakulär ist sie in kulinarischer Hinsicht. Sint Maarten ist diesbezüglich eine Wüste, geprägt von denkbar lieblosem amerikanischem Strandbar-Frass. Schon der Anblick der entsprechenden Lokale nimmt mir den Appetit. 500 Meter hinter der Grenze, auf der französischen Seite, traf ich hingegen auf das einladende Restaurant L’Escale, in dem gerade die Gendarmerie von Saint-Martin speiste. Die Speisekarte war abwechslungsreich und umfasste sogar Salate, nach dem Essen gab es richtigen Espresso. Es war also auch die Grenze zwischen nordamerikanischer und europäischer Esskultur – und auch die EU-Aussengrenze, denn nur der französische Teil gehört zur Europäischen Union. Auf beiden Seiten des Restaurants befinden sich Resorts, die nach dem Hurrikan Irma 2017 aufgegeben und nicht wieder instand gesetzt wurden. Es war ein Vergnügen, die Ruinen zu erkunden – ein echtes karibisches Tschornobyl! In den Bars standen noch die leeren Flaschen herum, einzelne Hotelzimmer waren in fast bewohnbarem Zustand, wenn man von der fehlenden Decke absieht – und boten beste Ausblicke auf den Coralita-Strand. Die Piers zu betreten erforderte ein bisschen Überwindung, da nicht klar war, welche Planken lose waren. In der „Seaview Residence“ hatten sich Street Art-Künstler mit beachtlichen Kunstwerken verewigt. Die Ruinen waren frei zugänglich und ich war nicht der einzige Besucher: Ein Mann ging mit seinen drei Hunden spazieren, zwei Damen sonnten sich an einem leeren Strandabschnitt. Ich konnte mich von dem magischen Ort kaum losreissen: Definitiv der schönste Karibikstrand bisher. Einmal mehr zeigte sich, dass das Abklappern von Grenzen zu ganz unerwarteten Entdeckungen führt.





10.500 Einwohner | 21 km2| BSP 51.735 $
Vor vielen Jahren reiste ich durch Argentinien. Auf fast jeder Busfahrt lief der Film „Mi novia Polly“ (deutsch „Und da kam Polly“), der immer nerviger wurde. In der Anfangsszene fliegt ein Pärchen nach St. Barth, steigt aus dem Flugzeug und befindet sich direkt am prächtigsten, klischeehaftesten Karibikstrand. So erfuhr ich überhaupt, dass St. Barth existiert – wollte aber nie dahin, da es eine Luxusdestination ist. Auf einem Tagesausflüge per Fähre ab Sint Maarten schaute ich mir diesen Wahnsinn nun doch einmal an. Und tatsächlich: Der kleine Flugplatz liegt direkt am perfekten Sandstrand von St-Jean, an dessen Strandbars sich die Superreichen tummeln. Ich war von der Hauptstadt Gustavia aus gelaufen, da es keinen öffentlichen Verkehr gibt und ein Taxi allein zum Flughafen – 1.5 km von Gustavia entfernt – 30 € kostet. Das Geld investierte ich lieber in einen Drink in einer der poshen Strandbars. Fündig würde ich im GypSea, das all meine stereotypen Erwartungen erfüllte. Der arrogante französische Kellner nahm meine bescheidene Bestellung mit offener Verachtung entgegen und verweigerte sich konsequent, mit mir Französisch zu sprechen, dass ich es wirklich aufgab (ich benutze die Sprache eigentlich täglich bei der Arbeit…). Vielleicht hätte ich das Steak (Wagyu, 125 €) oder wenigstens den Risotto (mit weissen Trüffeln, 75 €) bestellen müssen, um dazu zu gehören. So war es aber einfach ziemlich lustig, der restlichen Kundschaft zuzuschauen, deren ausgesuchte Kleider, Sonnenbrillen und aufgespritzten Lippen ich sonst eher von Instagram kenne – oder Filmen wie „Mi novia Polly“. Fairerweise muss ich aber sagen: Geschmack haben sie, die Reichen, denn St. Barth ist definitiv eine der schönsten Inseln der Karibik und auch die Hauptstadt Gustavia kann sich – trotz der inflationären Ansammlung langweiliger Luxusboutiquen – sehen lassen. Ein Tagesausflug lohnt sich also auch für Normalsterbliche ungemein. Am Abend geht man dann sowieso wieder separate Wege: Auf den Jachten und in den Boutiquen geht die Beleuchtung an und lässt den Ort noch weit edler wirken als zuvor, während sich die Ausflügler am kleinen Hafen drängen, um um 18:45 zurück nach Sint Maarten zu tuckern.

1.900 Einwohner | 12 km2
Im Sommer radelte ich auf den höchsten Berg der Niederlande: Den Vaalserberg (322 m ü. M.) im Dreiländereck mit Belgien und Deutschland. Sinnbildlich für den höchsten Berg dieses flachen Landes führte der Weg von der belgischen Seite her zum Vaalserberg abwärts. Am Dreiländerpunkt, markiert mit einem Grenzstein, tummelten sich die Selfie-Touristen, diverse Attraktionen und Ausflugsrestaurants lockten, darüber bot ein Turm Aussicht ins Umland. Was auch mir zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst war: Spätestens seit die Insel Saba 2010 ein Teil der Niederlande wurde, liegt der höchste Punkt des Landes dort. Genauer: Auf dem Mount Scenery. 1064 Treppenstufen führen von Windwardside aus auf den 887 Meter hohen Gipfel. Die Wanderung ist nicht besonders schwer, aber ungemein schweisstreibend. Je näher man dem fast permanent von Wolken verhüllen Gipfel kommt, desto feuchter wird die Luft – und üppiger die Vegetation. Auf dem Gipfel gedeiht ein „Wolken-Regenwald“, also eine Art Bergdschungel. In Saba herrscht verkehrte Welt: Die Küstenlagen sind trocken und baumlos, nur Gräser wachsen dort, in den mittleren Lagen gibt es Laubwald, und auf dem Berg tropischen Urwald. Auf dem Gipfel angekommen, war natürlich ausser Gipfel und Wolken nichts zu sehen. Also setzte ich mich auf einen Fels und schreckte kurz darauf wieder auf: In wenigen Sekunden hatten sich hunderte Ameisen auf meinem Rücken, Hintern und im Rucksack verbreitet. Und sie bissen. Als ich sie endlich los war, folgte ein ergiebiger Regenguss. Doch dann rissen die Wolken auf, und endlich konnte ich die Aussicht geniessen auf die roten Dächer der Dörfer, das blaue Meer und die Nachbarinseln Statia und St. Barts. Es gab sogar einen Gipfelstein, auf dem sich die Sabanesen versöhnlich zeigen mit dem Mutterland: „Saba en Vaals: De twee hoogtepunten van Nederland“ steht darauf.

1.900 Einwohner | 12 km2
Beim Wandern in tropischen Gebieten hat man ständig das Gefühl, dass etwas hinter dem nächsten Baum hervorspringen und einen töten könnte. Gestern etwa störte ich eine Schlange auf, die sich unter einem Stein auf dem Wanderweg ausgeruht hatte. Da ich aber wusste, dass die hiesige Rotbauchschlange harmlos ist, fand ich die Begegnung eher spannend. Heute hingegen traf ich auf den gefährlichsten Baum der Welt: den Manchinel-Baum. Er ist ein wahres Multitalent. Wenn man seine Frucht isst, kann man daran sterben. Dabei sieht sie völlig harmlos aus, wie kleine Äpfel (daher auch der Name, von Spanisch manzanillo). Wenn man bei Regen unter dem Baum Schutz sucht, verätzt das herabtropfende Wasser die Haut. Dasselbe passiert auch, wenn man irgendeinen Teil des Baums berührt. Und als Krönung verbreitet der Baum Aerosole, die für die Atemwege problematisch sind. Manchinel-Bäume findet man auf dem Spring Bay Trail in Saba. Schon zu Beginn des Wanderwegs warnt ein Schild vor der Begegnung mit dem Baum. Leider sieht er nicht gerade auffällig aus, die Beschreibung traf etwa auf die Hälfte der Bäume unterwegs zu. Der eine Manchinel, der mitten in den Weg hineinragte, war dann aber mit einem weiteren Warnschild gekennzeichnet. Natürlich faszinierte mich der Baum. Sicherheitshalber zog ich eine FFP2-Maske an und schaute ihn mir genauer an. Die Äpfelchen sahen völlig harmlos aus – ein Schauer durchfuhr mich beim Gedanken, dass mich ein Biss davon töten könnte. Der Wind raschelte in den Blättern und es hörte sich an wie das Zischen einer Schlange, auch wenn dies natürlich Einbildung war und der Manchinel nicht anders raschelte als andere Bäume. Und anders als ein gefährliches Tier konnte mich der Baum nicht anspringen, ich konnte ihn also in Ruhe begutachten. Dennoch war ich ein bisschen erleichtert, als ich die Manchinel-Zone hinter mir liess und mich dem felsigen Spring Bay näherte.

1.900 Einwohner | 13 km2
Saba liegt zwar in der Karibik, fühlt sich aber an wie ein Aussenposten der Zivilisation. Die einsamste besiedelte Insel der Welt heisst Tristan da Cunha, hat 300 Einwohner und liegt mitten im Südatlantik – erreichbar nur nach einer mehrtägigen Fahrt mit einem selten verkehrenden Postschiff. Zum Bereisen also ausserordentlich aufwendig – da ist Saba die perfekte Ersatzdroge. Mit weniger als 2.000 Einwohnern ist Saba das kleinste Territorium des amerikanischen Kontinents. Es gibt vier Dörfer: The Bottom, Windwardside, St. John’s und Hell’s Gate (aka Zion’s Hill). Sie alle bestehen aus Gingerbread Houses aus weiss angestrichenem Holz mit grünen Fensterläden und roten Dächern. Hauptstadt ist The Bottom, das Inselleben pulsiert aber in Windwardside, konkret auf dem Platz vor der Bäckerei Buzzy B, der passenderweise Breadfile Plaza heisst. Hier trifft sich am Morgen das ganze Dorf, die ganze Insel, jeder kennt jeden und hält einen kurzen Schwatz ab. Bemerkenswert ist die ethnische Durchmischung der Bevölkerung, die vorwiegend von den britischen Inseln, den Niederlanden und Westafrika stammt, aber auch von anderen karibischen Inseln und aus Asien. Bis in die 1960er Jahre mussten alle Waren und Personen nach der Anlandung an einem kleinen Strand über eine 900-stufige Treppe („The Ladder“) auf die Insel gebracht werden. Dann würde ein Hafen gebaut und eine Strasse, die ihn mit den vier Dörfern verbindet: „The Road“. Seit 1963 gibt es am anderen Ende der Road einen Flughafen, der für den abenteuerlichen Anflug auf eine der weltweit kürzesten Landepisten bekannt ist. Womit die Insel objektiv gesehen nicht ganz so einsam ist, wie sie sich anfühlt. Aber wäre Saba wirklich so schwer erreichbar wie Tristan da Cunha, wäre ich jetzt wohl nicht hier.

3.100 Einwohner | 21 km2
Ich habe den unwahrscheinlichsten Holländer getroffen, den man sich vorstellen kann. Toni, der in meiner Unterkunft für diese eine Nacht auf der Insel Sint Eustatius arbeitet, stammt aus der Dominikanischen Republik. Schon seit 22 Jahren lebt er in Statia, wie die Insel umgangssprachlich heisst, seit einigen Jahren ist er eingebürgert. Da Statia zu den Niederlanden gehört, ist Toni nun niederländischer Staatsangehöriger – und dies obwohl er kein Wort Holländisch spricht und erst einmal im „Mutterland“ auf Besuch war. Denn in Statia spricht auch sonst niemand Holländisch, nicht einmal die Verwaltung. Fehlende Kenntnisse dieser Sprache sind also kein Einbürgerungshindernis. Die Bevölkerung von St. Eustatius besteht aus Abkömmlingen der früheren hiesigen Sklaven, in letzter Zeit gibt es immer mehr Migranten aus der Dominikanischen Republik sowie Aruba. Man hört also immer wieder Spanisch und Papiamento. Niederländer hingegen leben hier fast keine. „Die Einwanderungsbestimmungen für sie sind sehr streng – strenger als für uns karibischen Migranten“, wusste Toni. Offenbar will man nicht, dass sich pensionierte Europäer massenhaft in der niederländischen Karibik niederlassen. Und so bleibt Statia weiterhin eine verschlafene Mini-Insel, die abgesehen von der Geschichte und der Politik wenig mit den Niederlanden verbindet – man bezahlt sogar mit US-Dollar.

53.000 Einwohner | 261 km2 | BSP 17.173 $
Heute habe ich es ausgiebig genossen, eine Ecke dieses Landes für mich ganz allein zu haben. Es war eine ganz besonders schöne Ecke, auf einem kargen, mit Gräsern und Büschen bewachsenen Hügel mit Aussicht auf das tiefblaue Meer und den wolkenverhangenen Vulkan auf der Nachbarinsel Nevis. Allein war ich, weil ich wandern ging und das Wandern wohl wenig ins allgemeine Tourismuskonzept der Insel passt. Dennoch gibt es in St. Kitts mehrere markierte Wanderwege, darunter der anspruchsvolle Aufstieg an den Kraterrand des höchsten Vulkans, dem Mount Liamuiga („Lajamiiga“ ausgesprochen). Da der Liamuiga heute in dichte Wolken gehüllt war, gab ich der Südost-Halbinsel den Vorzug. Sie ist unbesiedelt und besteht aus einer Kette grüner Hügel, unterbrochen von Sandstränden. Allein schon die Anreise mit dem Motorrad auf der Strasse, die sich über die Hügel schlängelte, war ein Erlebnis. Der kurze, aber einsame Wanderweg – ich traf keine Menschenseele – führte mich dann hinaus an das exponierte Südostkap von St. Kitts, direkt über dem nur drei Kilometer breiten Kanal, der St. Kitts und Nevis teilt, den „Narrows“.

53.000 Einwohner | 261 km2 | BSP 17.173 $
Diesen Beitrag schreibe ich in angesäuseltem Zustand am Silvesterabend, weil es mir am Silvestermorgen genau gleich erging. Im Billett der St. Kitts Scenic Railway war nämlich die Bedienung mit allen erdenklichen Rum-Mischgetränken inbegriffen und man kann nicht behaupten, dass sich die Fahrgäste zurückgehalten hätten. Man kann auch nicht behaupten, dass das Bahnpersonal nicht seines dazu geleistet hätte, und am Ende hatte mein Waggon allein drei Flaschen Rum geleert. Für eine Fahrt von 9 bis 11 Uhr vormittags doch recht beachtlich. Die St. Kitts Scenic Railway ist die einzige Bahnlinie der Kleinen Antillen, doch unterscheidet sich der Bahntourismus hier doch erheblich von dem, was wir in Mitteleuropa kennen. Zielpublikum sind primär Kreuzfahrt-Touristen auf Landgang, die auch heute Morgen vier der fünf Wagen füllten. Die Touristen stammen aus den USA, und das bedeutet, dass beim Ausflug sehr viel Show dabei war. Neben zweier verkleideter Tänzer (!) war dafür eine Animatorin am Mikrofon zuständig. Und sie machte einen fantastischen Job. Für die Amerikaner war ja schon das Bahnfahren an sich ein Erlebnis, entsprechend kamen Sprüche gut an wie dieser: „We are Very Important Persons – therefore, all the cars have to stop for us while we cross the road“. Als wir dann am Bahnübergang vorbeirollten, johlte der ganze Waggon. Der Alkohol trug dazu bei, dass auch ich mich für diese Art Tourismus begeistern konnte, wer wollte sich schon der ausgelassenen Stimmung entziehen? Fairerweise muss auch gesagt sein, dass die Bahn ohne die Kreuzfahrten mit Sicherheit nicht mehr existieren würde. Und dass die Kittianer die Bahn selbst lieben. In meinem Waggon, in dem die individuellen Touristen sassen, waren auch einige Einheimische. Sie standen in ihrer Begeisterung den Amerikanern überhaupt nicht nach und machten der Animatorin am Ende Komplimente – man stelle sich vor, wie wir Schweizer geschnödet hätten. Auch die Anwohner, durch deren Vorgärten die Bahn rumpelte, winkten begeistert zu und warfen sogar Kusshände. Und letztlich war es wirklich toll, die landschaftlich spektakuläre Insel im Tempo von 15 km/h zu umrunden. Auch wenn die Bahn ihren ursprünglichen Zweck vollends verloren hat: 2005 endete der Anbau des Zuckerrohrs auf St. Kitts, für dessen Transport die Bahn entstanden war. Seither bezieht das Land die Molasse für die Produktion des Rums, den wir so fleissig becherten, aus Brasilien.

Der Weg von Sint Maarten nach St. Kitts fühlte sich so richtig nach Reisen an, obwohl ich mich in der so kommerzialisierten Karibik befinde. Die Fähre Makana gewährleistet den öffentlichen Verkehr zwischen Sint Maarten und verschiedenen Nachbarinseln. Mit ihr reisen vorwiegend Einheimische. Der Fahrplan ist kompliziert, sodass ich viel Zeit in die Reiseplanung investieren musste. Aber es lohnte sich. Los ging es gestern Abend in der noblen Marina von Philipsburg, von der mehrheitlich Jachten und Schiffe nach St. Barth ablegen. Langsam verschwand das grüne, hügelige Sint Maarten am Horizont und im rötlichen Abendlicht tauchte die Mini-Insel Saba mit nur 2.000 Einwohnern auf. Es wurde dunkler, und die See ziemlich rau – besonders auf dem zweiten Abschnitt der Reise, zwischen Saba und St. Eustatius. Immer wieder schwappte eine Welle Salzwasser auf das Deck im 2. Stock – der türkisblauen Karibik würde man das ja gar nicht zutrauen! Spät am Abend kam ich in St. Eustatius an und durchquerte auf dem Weg zu meiner Absteige die halbe Insel, also 2.5 Kilometer. Oranjestad, das einzige Dorf, sah aus wie auf einem anderen Kontinent: Niedliche farbige Holzhäuser mit weissen Ornamenten, dazwischen kopfsteingepflasterte Strassen. Erst als ich heute Morgen die Insel wieder verliess, ging langsam die Sonne wieder auf, direkt hinter dem Mount Liamuiga, dem höchsten Punkt der Nachbarinsel St. Kitts, die in immer satterem Grün erstrahlte. Die Ankunft war dann etwas ernüchternd: Zuerst eine strenge Grenzkontrolle mit Drogenhunden, dann als erster Eindruck des neuen Landes das Kreuzfahrt-Terminal Port Zante mit seinen trashigen Läden und unappetitlichen Restaurants…

41.000 Einwohner | 41 km2 | BSP 35.342 $
Heute müsste ich natürlich über den französisch-niederländischen Grenzübergang schreiben, der diese Insel für mich ganz besonders einzigartig macht. Aber das hebe ich mir für einen anderen Tag auf, wenn ich diesem mehr Zeit widmen kann. Stattdessen geht es um das andere Alleinstellungsmerkmal von Sint Maarten: Der Maho Beach. Es hat wohl jeder schon mal Bilder von diesem Strand gesehen, über den in weniger Metern Höhe Grossraumjets beim Landeanflug auf den Juliana Airport brausen. Und ich muss zugeben, an diesem Strand hat es mir wirklich gut gefallen. Er ist ja auch kurios: In der Mitte ein wirklich schöner Sandstrand, direkt dahinter der Zaun der Flughafen-Landebahn. Auf beiden Seiten des Strands steht eine Bar, wo man fast schon wie auf einer kleinen Tribüne mit bester Sicht auf Sand und Landebahn sitzen und Bier trinken kann (wobei die Bierauswahl in Geschmackslosigkeit kaum zu unterbieten war). Sobald das Licht eines Flugzeug am Horizont zu flimmern beginnt, richtet sich die Konzentration aller Anwesenden darauf, Handys und Kameras werden gezückt, und beim wenige Sekunden dauernden Landemanöver stehen alle auf, um die beste Fotoposition zu erhaschen. Ich las nebenbei in einem Buch und verpasste dank der allgemeinen Aufregung dennoch keine einzige Landung. Auch wenn die meisten Landungen dann doch eher unspektakuläre Kleinflugzeuge von Nachbarinseln wie Saba oder Anguilla waren. So liess ich es mir gut gehen und verbrachte für einmal mehrere Stunden an einem Strand. Und konnte mich sogar mit dem wässrigen Modelo-Bier anfreunden.

14.000 Einwohner | 96 km2 | BSP 22.463 $
Anguilla ist wohl das einzige Land, das gegen die eigene Loslösung von der Kolonialmacht gekämpft hat. „Ja, wir hatten eine Revolution“, bestätigte mir auch der Taxifahrer, der mich widerwillig vom Fährhafen Blowing Point in die Hauptstadt fuhr. „Eine gewaltlose zwar. Wir haben die Polizisten aus St. Kitts rausgeworfen.“ Kurz zuvor war Anguilla nämlich gemeinsam mit den Inseln St. Kitts und Nevis, mit denen es eine britische Kolonie gebildet hatte, in die Unabhängigkeit entlassen worden. Doch wenn die Anguillianer etwas noch weniger wollten, als ein Teil der UK zu sein, dann ein Teil von St. Kitts zu sein. Nach der Revolution erklärte sich Anguilla für unabhängig und ersuchte die USA um militärischen Beistand. Dies ging den Briten zu weit – sie entsandten Truppen auf die ungehorsame Insel, wo sie freudig empfangen wurden. Die Revolution hatte ihr Ziel erreicht, Anguilla war wieder britisches Überseegebiet – und ist es bis heute. „Manche möchten zwar lieber ganz unabhängig werden. Aber wir sind eine so kleine Insel, bei grösseren Krisen wie der Pandemie oder Hurrikan Irma haben wir dann doch lieber die Briten an der Seite“, berichtete der Taxifahrer und setzte mich kopfschüttelnd in The Valley ab, der kleinen Hauptstadt. „Kein Shopping, keine Restaurants – was willst du überhaupt hier? Fahr lieber an einen Strand!“
Über die Reise
Als ich vor ein paar Monaten in Mauretanien war, konnte ich meinen Entdeckungsdrang kaum zähmen: Mein erstes neu bereistes Land seit Beginn der Pandemie! Ein Land neu zu entdecken begeistert mich immer: wie sind die Grenzen, die Leute, das Essen, die Identität des Landes? Was macht das Land einzigartig? Nun möchte ich mich austoben in der Gegend der Welt, die eine Menge kleiner Staaten (und staatenähnlicher Gebilde) zu bieten hat: die Kleinen Antillen. Jawohl, in der Karibik, definitiv nicht mein übliches Reise-Beuteschema. Resorts, Strände und Jachten sind ja generell nicht so mein Ding.
Aber ich möchte einen „Roadtrip“ machen: So viele Antillen wie möglich von Nord nach Süd durchreisen, wenn irgendwie möglich auf dem Land- bzw. Seeweg, und dabei herausfinden, was diese Länder unverwechselbar macht, die bisher für mich denkbar austauschbaren Punkte auf der Landkarte waren. In diesem Beitrag stelle ich jeden Tag ein kleines Highlight dieser Entdeckungsreise vor. Und vielleicht gehe ich dann doch auch mal an einen Strand.
Mein Lieblingsreiseblogger wieder in Höchstform – vielen Dank für diese spannende Reise, und dass du sie mit uns teilst! Hast du eigentlich noch vor, Antigua & Barbuda zu besuchen?
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Das liegt leider nicht drin, da es von den Nachbarinseln aus kaum erreichbar ist. Ich hätte mehrere zusätzliche Flüge gebraucht, was nicht ins Konzept dieser Reise passte. Nehme ich dann nächstes Mal mit, mit Montserrat und den Jungferninseln!
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